Angeblicher Auftragskiller wird nun doch ausgeliefert

Oberlandesgericht (OLG) Wien
Dem Mann droht in Russland die Todesstrafe. Sein Rechtsanwalt nannte die Entscheidung "absurd".

Geht es nach dem Oberlandesgericht Wien (OLG), wird der angebliche russische Auftragskiller Anatoly R. nun doch in seine Heimat ausgeliefert. Die Entscheidung dafür hat das OLG am Dienstag getroffen, wie der Verteidiger des 38-Jährigen, Elmar Kresbach, mitteilte. Der Rechtsanwalt nannte die Entscheidung "absurd" und kündigte eine erneute Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof (OGH) an.

Umstrittene Garantieerklärung

Anatoly R. (38) wird vorgeworfen, im Raum Nowosibirsk an einer kriminellen Organisation beteiligt gewesen zu sein und von 1997 bis 2004 mehrere Mordanschläge persönlich vollzogen oder diese zumindest angeordnet zu haben. Er selbst sieht sich politisch verfolgt. Das OLG hatte bereits im Jänner die Auslieferung für zulässig erklärt, nachdem Russland schriftlich eine Art "Garantieerklärung" für Anatoly R. abgegeben hatte. Dieser darf demnach nach seiner Überstellung nicht unter unmenschlichen oder erniedrigenden Bedingungen inhaftiert werden. Es muss gewährleistet sein, dass seine körperliche Integrität unangetastet bleibt.

Diese "Garantieerklärung" sorgte allerdings dafür, dass die Auslieferung Mitte April vom Obersten Gerichtshof (OGH) aus formalen Gründen aufgehoben und dem OLG ein "gesetzeskonformes Vorgehen" aufgetragen wurde.

Laut Kresbach hat das OLG in seiner nunmehrigen Entscheidung keine Auflagen mehr für die Auslieferung von Anatoly R. erteilt. Die Menschenrechtssituation in Russland sei zwar nicht ideal, aber auch nicht so schlecht, dass keine Auslieferung möglich sei, interpretierte der Rechtsanwalt die Begründung des Gerichts.

"Wie soll ein Mensch im Vorhinein hundertprozentig beweisen, dass er in Russland umgebracht wird?"

Darüber hinaus dürften die Argumente von Anatoly R. für seine politische Verfolgung und für die Gefährdung seiner körperlichen Sicherheit dem OLG nicht genug gewesen sein. Kresbach nannte die Argumentation des Gerichts in diesem Zusammenhang "absurd": "Wie soll ein Mensch im Vorhinein hundertprozentig beweisen, dass er in Russland umgebracht wird?", fragte der Advokat. "Nach diesem Argument könnte man jemanden auch nach Libyen ausliefern."

Mörder oder Systemkritiker?

Anatoly R. hatte unter einem falschen Namen in Wien gelebt und bei einer Baufirma gearbeitet. Er wurde im Februar 2014 nach einem gezielten Hinweis von einer Sondereinheit der Polizei festgenommen, weil er in Sibirien der berüchtigten "Trunov-Brigade" angehört haben und neben Auftragsmorden auch für Schutzgeld-Erpressungen, Waffenhandel und Bestechung von Amtsträgern verantwortlich gewesen sein soll, ehe er sich ins Ausland absetzte. R. bestreitet das und sieht sich als Kritiker, der Korruption aufgedeckt habe und dafür nun von der russischen Justiz "mundtot" gemacht werden soll.

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