Ministerin zeigt Chaoten die Rote Karte

Derby-Skandal im Hanappi-Stadion, 22. Mai 2011: Frustrierte Rapid-Fans stürmten mit befreundeten ausländischen Hooligans das Spielfeld.
Extremismus, Rassismus und Gewalt wird zu Meisterschaftsstart schon vor den Stadien geahndet.

Parallel zu den beiden Präsidenten der Wiener Traditionsclubs Austria und Rapid, kündigte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner am Freitag eine Offensive gegen Gewalt, Rassismus und Wiederbetätigung in Österreichs Fußballstadien an. Das sind die Eckpunkte:

Seit 1. Juli gilt ein neues Sicherheitspolizeigesetz. Stadionverbote und Wegweisungen rund um die Spielstätten können jetzt auch bei Verhetzung und rechtsradikalen Äußerungen von der Exekutive verhängt werden. Vor der Novelle galt das nur bei Gewaltdelikten. "Ein Meilenstein", so Innenministerin Mikl-Leitner.

Die Gesetzesänderung beinhaltet auch eine Ermächtigung der Datenübertragung, wie Bildmaterial aus der Video-Überwachung. Somit können der Österreichische Fußballbund (ÖFB) und die Bundesliga (Senat 3) auch bei Delikten nach den Verbotsgesetz sowie bei Verhetzung Stadionverbote aussprechen.

Spielbeobachter der Bundesliga, aber auch Zuschauer und Schiedsrichter sollen diskriminierendes Verhalten von Hooligans beobachten und dokumentieren. Die in der Folge eingeleiteten Verfahren können zu Sanktionen für jene Klubs führen, deren Anhänger ein Fehlverhalten gesetzt haben.

In der höchsten Spielklasse (tipico-Bundesliga) ist Videoüberwachung innerhalb der Stadien verpflichtend. Die Farbbild-Kameras müssen dreh- und schwenkbar sein und überwachen ohne Pause. Heim- und Gästefan-Sektoren müssen gleichzeitig erfasst werden können.

Zusätzlich werden Stadion-Securitys und Ordnerdienste besser geschult. Hintergrund: Stadionverbote wurden über Ordner und Securitys häufig umgangen. Zum einen weil die Sicherheitskräfte von den Hooligans unter Druck gesetzt wurden, zum anderen, weil sich manche Mitglieder der Dienste schon mit niedrigen Geldbeträgen bestechen ließen, oder weil sie nicht wussten, welche Personen einem Stadionverbot unterlagen.

"Das Sanktionieren der bundesweiten Stadionverbote durch die Vereine, vor allem bei Auswärtspartien, war unser größtes Problem", bestätigt Bundesliga-Präsident Hans Rinner im KURIER-Gespräch. Nachsatz: "Wie sollte ein Ordner in Innsbruck wissen, welcher Wiener Hooligan ausgeschlossen wurde. Die Datenübermittlung (Videomaterial) soll die gewaltbereiten Chaoten in Zukunft vor Ort identifizieren.

Da aktuell in Österreich knapp 100 Stadionverbote aufrecht sind, ist die Gruppe der "Verdächtigen" überschaubar. Weiters kennen die szenekundigen Beamten – sie reisen bei Auswärtsspielen mit den Fans mit – die amtsbekannten Rowdys.

Wache statt Stadion

Auch soll in der neuen Saison – sie startet in einer Woche – von der Meldepflicht verstärkt Gebrauch gemacht werden. Dabei müssen sich Hardcore-Fans mit Stadionverboten kurz vor Anpfiff bei der Polizei melden. Wenige Minuten vor Spielende dürfen sie wieder gehen.

Oberst Wolfgang Lang ist Chef der 176 szenekundigen Polizei-Beamten. Das Team reist auch bei nationalen und internationalen Auswärtsspielen (Europacup, Champions League) mit.

KURIER: Wie viele Risiko-Fans gibt es bei den Wiener Traditionsclubs Austria und Rapid?

Wolfgang Lang: 70 bis 100 bei den Grün-Weißen, etwa 50 bei der Austria. Bundesweit sprechen wir von rund 200 Hardcore-Anhängern.

Wie ist die Stimmung in den Fan-Lagern vor dem Start der Meisterschaft?

Die positive Stimmung kann schnell kippen. Vor allem dann, wenn der sportliche Erfolg auf sich warten lässt.

Es heißt, ihr Team kennt die Unruhestifter. Wie intensiv ist der Kontakt?

Wir füttern unsere Datendatei das gesamte Jahr über. Während der spielfreien Zeit haben wir die Internet-Foren im Auge und sind bei Club-Sitzungen präsent. Und wir halten Kontakt zu den Capos.

Capos halten enge Verbindungen zu ausländischen, befreundeten Hooligans. Ist die Polizei hier auf dem letzten Stand?

Es gibt Kooperationen mit ausländischen Kollegen. Wir wissen, wenn gewaltbereite Hools zu Matches einreisen.

Sie müssen Vertrauen zu den Fans aufbauen, sind aber Polizisten. Wie funktioniert das?

In der Praxis schließen wir mit den Anhängern Agreements. Das Eis, auf dem wir stehen, ist aber dünn. Manche Kollegen glauben, dass wir mit den Chaoten ,verhabert‘ sind.

Wird sich die Fan-Szene weiter radikalisieren?

Schauen sie nach Italien, Deutschland, Griechenland oder Spanien. Dagegen ist Österreich die Insel der Seligen. Dieser Trend kommt, zeitverzögert, auch zu uns.

Bis Sonntag steht bei der Weltmeisterschaft noch Gourmetkost für den Fußballfan auf dem Programm, nur sechs Tage später gibt’s wieder Hausmannskost in der heimischen Fußballliga. Für echte Kicker-Fans kann es eben nie genügend Matches geben.

Ministerin zeigt Chaoten die Rote Karte
APA18774448_10062014 - WIEN - ÖSTERREICH: Club-Präsident Michael Krammer während der Pressekonferenz am Dienstag, 10. Juni 2014, in Wien. FOTO: APA/HERBERT PFARRHOFER
Doch sogenannte echte Fans begingen in der vergangenen Saison – auch abseits der Partien – unverzeihliche Fouls am Image des heimischen Fußballs. Trauriger Höhepunkt war dieAttacke vor der Generali-Arena am Verteilerkreis im April. Junge Rapid-Chaoten schlugen den violetten Nachwuchskicker Valentin Grubeck nach dem Training grün und blau. Zehn Angeklagte müssen sich wegen Körperverletzung am 1. August vor Gericht verantworten. Bereits in zwei Wochen stehen die Rädelsführer der Straßenschlacht um das Hanappi-Stadion (Freundschaftsspiel gegen Nürnberg) in Wien vor Gericht. In diesem Fall gingen die Anhänger beider Teams auf die Polizei los. Laut Staatsanwaltschaft wird ein Rapid-Anhänger sogar in beiden Prozessen angeklagt. Hochdekorierte Rapidler beschuldigen die Polizei jedoch, damals beide Fan-Gruppen bewusst provoziert zu haben.

"Null-Toleranz-Politik"

"Das sind Kriminelle, die wir aus unseren Reihen vertreiben wollen", erklärte Rapid-Präsident Michael Krammer. Das Rapid-Präsidium wartet noch die Urteile ab. Dann drohen einigen Hooligans lebenslange Stadionverbote. Krammer kündigte in diesem Bereich eine "absolute Null-Toleranz-Politik" an.

Neben Straßenschlachten zwischen Fans und Polizei kommt es auf heimischen Fußballplätzen immer häufiger zu rechtsradikalen Sympathie-Kundgebungen, die weit in den Tatbestand der Wiederbetätigung hinein reichen. Ein extrem rasch wachsendes Phänomen in europäischen Stadien.

Ministerin zeigt Chaoten die Rote Karte
APA14048168 - 07082013 - HAFNARFJÖRDUR - ISLAND: Austria-Präsident Wolfgang Katzian auf der Tribüne vor Beginn des Championsleague-Qualifikationsspieles FH Hafnarfjördur - FK Austria Wien am Mittwoch, 7. August 2013, in Hafnarfjördur. APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER
Für Austria-Präsidenten und Spitzengewerkschafter Wolfgang Katzian kann es hier nur die Rote Karte geben: "Wir bringen alle strafrechtlich relevanten Vorfälle ausnahmslos zur Anzeige." Kritischer Nachsatz im KURIER-Gespräch: "Aber wir sind nicht die Behörde."

Katzian spielt damit den Ball an die Justiz weiter: "Während die Vereine ihre Hausaufgaben machen, sind bei dem Vorwurf der Wiederbetätigung die Urteile viel zu mild. Dieses strafrechtliche Vergehen wird von den Richtern viel zu oft als b’soffene Gschicht abgetan."

Katzian sieht in dieser Negativspirale auch einen gesellschaftspolitischen Hintergrund: "Vor allem bei der Wiederbetätigung müssen die Behörden genauer hinschauen und methodisch vorgehen." Er kündigte auch an, die von der Bundesliga ausgesprochenen Stadionverbote in der kommenden Saison rigoros durchzusetzen.

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