"Das macht die Bürger narrisch"

Mödlhammer in Hallwang bei Salzburg, wo er seit 1986 Bürgermeister ist. Er weiß: „In dem Amt spürst du die Rache des Wählers sofort“.
Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer über Abgehobenheit der Politik und Regulierungswahn

Am 9. März schreiten die Salzburger zur Wahlurne. Im Gespräch mit dem KURIER erklärt Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer (62) aus Hallwang, warum ein Bürgermeister wissen muss, was ein Liter Milch kostet und wieso ihm eine Blumenwiese lieber ist als Einheitsrasen.

KURIER: Herr Präsident, Sie hören nach 28 Jahren als Bürgermeister von Hallwang auf, dabei wurden Sie 2009 mit mehr als 70 Prozent direkt gewählt. Warum wollen Sie nicht mehr?Helmut Mödlhammer: Ich war Bürgermeister mit Leib und Seele, rund um die Uhr. Für Hallwang habe ich einen hervorragenden Nachfolger gefunden, deshalb habe ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt, Verantwortung abzugeben. Solche Leute sind rar.

Warum ist es so schwierig, Leute für die Politik zu gewinnen?

Das Amt hat sich verändert, es ist wesentlich intensiver geworden. Früher war der Job eine hauptsächlich repräsentative Aufgabe. Heute ist man gleichzeitig Manager, Behördenleiter, Mediator und Beichtvater. Nebenbei einen privaten Beruf auszuüben, ist kaum mehr möglich. Und wenn man dann abgewählt wird, hat man ein Problem. Dazu kommt, dass man als Bürgermeister mit dem Privatvermögen haftet, wenn man etwas genehmigt und das schief läuft. Unter diesen Umständen gibt es nur noch wenige, die sagen: "Jawohl, das tue ich mir an."

Hat also die Politik an Glanz verloren?

Das ist in den letzten Jahren massiv schlechter geworden. Eines ist klar: Das Image einer Partei trägt nicht gerade dazu bei, dass man sich politisch engagiert. Aber in den Kommunen steht nicht die Parteipolitik, sondern die Gemeinde im Vordergrund. Erst kommen die Menschen, dann die Sache, und dann die Partei.

Den klassischen Schwarz-Wähler am Land gibt’s nicht mehr?

Beurteilt wird die Arbeit vor Ort – da ist es egal, ob die Gruppierung schwarz, rot, grün oder blau ist. Das Potenzial an Stammwählern wird immer geringer.

Ihre Prognose für die Gemeinderatswahlen?

In den Gemeinden wird es keine großen Erdbeben geben. In der Stadt Salzburg hängt es von der Wahlbeteiligung ab. Wer die Menschen zur Wahl motiviert, wird der große Gewinner sein.

Wie schätzen Sie die Neos und neu gegründete Listen ein?

Sie sind Ausdruck einer Unzufriedenheit. Aber ich glaube nicht, dass sie bei den Kommunalwahlen eine große Rolle spielen. Die Leute schauen genau, was vor Ort geleistet worden ist. Vier Wochen vor der Wahl aufzustehen und zu sagen: "Wir sind jetzt auch da", reicht nicht.

Sie sagen, die Politik braucht einen Neustart. Was heißt das?

Es muss eine Rückbesinnung auf die kleinen Einheiten geben. Die Gemeinden sollen möglichst autark arbeiten können. Das Land soll seine Bereiche in Ordnung bringen, der Bund muss die Klammer sein. Hineinregieren lehnen die Leute ab.

Wird zu viel von oben diktiert?

Bei vielen Problemen bräuchte man nur den Hausverstand, um sie zu lösen. Stattdessen wird alles zu Tode reglementiert. Jetzt darf man dem Müllmann nicht einmal mehr fünf Euro zu Weihnachten geben, denn das wäre ja Korruption. Ständig wird überlegt, wo man Bürger noch entmündigen kann. Der ist aber viel intelligenter, als er dargestellt wird. Man muss ihm Identität und Eigenheiten lassen. Blumenwiese, nicht Einheitsrasen.

Worin liegt die große Stärke eines Kommunalpolitikers?

Der Bürgermeister ist rund um die Uhr bei den Menschen. Der weiß, was geht und was nicht. Eine gewisse Erfahrung im Privatberuf ist wichtig, dann füllt man das Amt ganz anders aus. Bei manchen Spitzenpolitikern hat man den Eindruck, die haben keine Ahnung von der realen Wirtschaft. Die wissen nicht, was ein Mensch verdient oder was ein Liter Milch kostet. Diese Abgehobenheit macht die Leu-te narrisch. Wenn ein Bürgermeister nicht weiß, was der Bauer für seine Milch kriegt, ist er unten durch. Bei Sünden folgt die Strafe auf dem Fuß. Und wenn es nur ist, dass man ihn auf der Straße einen Trottel nennt. Beim nächsten Mal wird er nicht mehr gewählt.

Was würde mit Vizekanzler Michael Spindelegger passieren, wenn er als Bürgermeister sagt: "Keine neuen Steuern", und dann kommen sie doch?

Dazu äußere ich mich nicht. Grundsätzlich gibt es ein paar einfache Regeln: Du sollst nicht lügen. Du sollst kein Geld verschleudern. Du sollst mutig sein und dazu stehen, was du entschieden hast.

Stichwort Finanzskandal: Sind die Gemeinden unter Druck, weil das Land kein Geld hat?

Die verfehlte Finanzpolitik des Landes darf nicht auf dem Rücken der Gemeinden ausgetragen werden. Wir haben nur sechs Abgangsgemeinden (von 119, Anm.). Österreichweit liegt der Schnitt bei einem schwachen Drittel. Die Gemeinden müssen ihre stabile Lage sichern, weil sie Motor für die wirtschaftliche Gesamtentwicklung sind. Wenn man sie finanziell schröpft, wie es derzeit passiert, bricht das System zusammen. Das wäre für das Land fatal.

Zur Person

Helmut Mödlhammer zog es nach seiner Heirat mit einer Zimmermeisterin nach Hallwang. Der 62-Jährige hat zwei Töchter und einen Sohn. Sein Studium der Publizistik und Politik beendete er ohne Abschluss, als er 1972 zur Salzburger Volkszeitung ging. Von 1994 bis zu ihrem Verkauf 2005 war er dort Chefredakteur. 1986 wurde der ÖVP-Mann Bürgermeister von Hallwang, 1992 Präsident des Salzburger Gemeindeverbandes. Beide Ämter legt er heuer nieder. In seiner Funktion als Präsident des Österreichischen Gemeindebunds bleibt er bis 2017 gewählt.

Neben den Gemeindevertretungen werden am 9. März in Salzburg die Bürgermeister direkt gewählt. Für die Chefsessel in 119 Gemeinden bewerben sich 265 Kandidaten. In 30 Gemeinden haben die Bürger aber de facto keine Wahl – dort gibt es nur einen Kandidaten. In 29 davon ist das ein Schwarzer.

Die ÖVP ist die Bürgermeister-Partei schlechthin im Land Salzburg: Derzeit stellt sie 95 Ortschefs, heuer tritt sie in 112 Gemeinden
an. In 77 Gemeinden gibt es einen sozialdemokratischen Gegenkandidaten. Mit neun Frauen hat die SPÖ übrigens die meisten weiblichen Bewerber. Die Freiheitlichen gehen in 29 Gemeinden ins Rennen, die Grünen in 18. Das Team Stronach und die Neos beteiligen sich in jeweils drei Gemeinden an der Bürgermeisterwahl.

Während es in 30 Gemeinden nur einen Bewerber gibt, kann in weiteren 52 zumindest unter zwei Personen gewählt werden. Die größte Auswahl gibt es in der Stadt Salzburg mit acht Kandidaten.

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