Flüchtlinge: Aufnahmestopp zwingt Asylwerber in Notquartiere

Flüchtlinge am Freitag am Grenzübergang Nickelsdorf.
6.000 verbrachten Nacht in Notquartieren. Situation in Salzburg Freitagnachmittag etwas entspannt.

Der Aufnahmestopp für Flüchtlinge in der Bundesbetreuung zwingt in Salzburg immer mehr Asylwerber in die Quartiere für Transitflüchtlinge. Die Menschen müssten sonst auf der Straße leben. Die Caritas spricht von einem untragbaren Zustand - erst recht angesichts der niedrigen Temperaturen und des nahenden Winters. Das Innenministerium schob die Verantwortung unterdessen dem Land zu.

Im Transitquartier am Gelände der ehemaligen Autobahnmeisterei in Salzburg-Liefering waren in der Nacht auf Freitag alle 750 Schlafplätze belegt - auch von Menschen, die gar nicht nach Deutschland wollen. Sie haben in Österreich Asylanträge gestellt, haben aber keine Unterkunft zugeteilt bekommen. Sie sind im Transitquartier gelandet, um der Obdachlosigkeit zu entgehen. 60 bis 80 Personen sind laut Einsatzleitung so derzeit in Liefering gestrandet, darunter Familien mit Babys, Kleinkindern und hochschwangere Frauen.

Flüchtlinge: Aufnahmestopp zwingt Asylwerber in Notquartiere
ABD0099_20151015 - SALZBURG - ÖSTERREICH: ZU APA0609 VOM 15.10.2015 - In Salzburg sind die Notquartiere am Donnerstag, 15. Oktober 2015 zum größten Teil ausgelastet. Viele Flüchtlinge dürften die Nacht daher am Bahnhof in Salzburg verbringen müssen. - FOTO: APA/MIKE VOGL/NEUMAYR MMV
Während die meisten Asylwerber durch Bemühungen von Caritas und dem Land nach fünf bis sechs Tagen anderswo untergebracht werden können, lebten Flüchtlinge vereinzelt drei Wochen in den überfüllten Garagen der früheren Autobahnmeisterei. "Das ist nicht optimal, das sind eigentlich Übergangsquartiere für wenige Stunden", sagte Caritas Salzburg-Direktor Johannes Dines. Zugleich rechne er mit einer Zunahme des Problems. "Durch die schwierige Weiterreise nach Deutschland steigt die Zahl der Asylanträge in Salzburg."

Mehr zum Thema:

Flüchtlinge registriert und weggeschickt

Weil die Erstaufnahmezentren voll und alle Schlafplätze vergeben sind, ging die Polizei zuletzt dazu über, die asylsuchenden Menschen zwar zu registrieren, dann aber wegzuschicken. Sie erhalten eine offizielle Bescheinigung, dass ihr Antrag auf Schutz registriert wurde und bearbeitet werden wird, es aber nicht möglich sei, ihnen einen Betreuungsplatz in einem Verteilzentrum des Bundes zuzuteilen. Zugleich werden die Asylweber dazu verpflichtet, dem Erstaufnahmezentrum "ehestmöglich" einen Aufenthaltsort bekannt zu geben und sich zur Verfügung zu halten. Das mutet insofern absurd an, weil beim Stellen der Asylanträge oft nicht einmal die Handy-Nummern der Flüchtlinge erfasst werden.

"Der Aufnahmestopp gilt, solange wir am Ende unserer Kapazitäten sind"

Flüchtlinge: Aufnahmestopp zwingt Asylwerber in Notquartiere
ABD0057_20150922 - SALZBURG - ÖSTERREICH: Migranten am Dienstag, 22. September 2015, am österreichisch-deutschen Grenzübergang Freilassing auf der Saalachbrücke. Dort warden sie von deutschen Exekutivbeamten abgeholt und zur Erstaufnahme gebracht. - FOTO: APA/BARBARA GINDL - unbegrenzt verfügbar
"Der Aufnahmestopp gilt, solange wir am Ende unserer Kapazitäten sind", sagte Innenministerium-Sprecher Karl-Heinz Grundböck. Der Transfer in die Bundesländer funktioniere nach wie vor nicht optimal. "Der Bund ist in der ersten Phase zuständig - vom Asylantrag bis zur Entscheidung, ob die Personen zum Asylverfahren zugelassen werden. Wenn das Verfahren läuft, geht die Verantwortung an die Länder über." Allerdings sei es an der Schnittstelle zu einem Ungleichgewicht gekommen. "Wir haben in den Bundesbetreuungsquartieren einen hohen Anteil an Menschen, die schon längst in den Ländern sein sollen." Grundböck sprach von einem Überhang von rund 3.000 Menschen, für die formal ein Länderplatz bestehen sollte.

Außerdem gebe es Ausnahmen für Frauen mit Kindern, unbegleitete Minderjährige, versehrte und gebrechliche Menschen. Für sie seien Reserveplätze in den Erstaufnahmezentren vorhanden. Warum solche Menschen dennoch im Salzburger Transitquartier unterschlüpfen müssen, konnte er nicht sagen.

Situation in Salzburg etwas entspannt

Flüchtlinge: Aufnahmestopp zwingt Asylwerber in Notquartiere
ABD0077_20151016 - SALZBURG - ÖSTERREICH: ZU APA0409 VOM 16.10.2015 - (v.l.n.r.) BM Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), LH Wilfried Haslauer (ÖVP) und Polizeidirektor Franz Ruf am Freitag, 16. Oktober 2015, anl. eines Lokalaugenscheins zur Flüchtlingssituation am Hauptbahnhof Salzburg. - FOTO: APA/NEUMAYR/MMV
Die Flüchtlingssituation in der Stadt Salzburg hat sich am Freitagnachmittag etwas entspannt. Nachdem in der Früh alle drei Notunterkünfte ausgelastet waren, wurden am Vormittag wieder Kapazitäten frei. Bei einem Lokalaugenschein am Hauptbahnhof(Bild)sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), dass eine Lösung in der Flüchtlingsfrage nur auf europäischer Ebene und gemeinsam mit der Türkei möglich sei.

Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP), der sich mit Mikl-Leitner am Bahnhof ein Bild von der Lage machte, zeigte sich einer Meinung mit der Ministerin, was die Lösung der Flüchtlingsfrage betrifft. Für Salzburg sei es besonders wichtig, dass die enge Kooperation mit den Bundesstellen auch künftig gut funktioniere, damit die Situation auch weiterhin zu bewältigen sei und der Salzburger Hauptbahnhof als zentrale Drehscheibe funktionsfähig erhalten werden könne, erklärte Haslauer. Die beiden ÖVP-Politiker hoben bei dem Lokalaugenschein die "großartige Arbeit von Einsatzleitung, Polizei, Bundesheer, Einsatzorganisationen, NGOs und Freiwilligen" hervor.

6.000 verbrachten Nacht in Notunterkünften

Flüchtlinge: Aufnahmestopp zwingt Asylwerber in Notquartiere
9500 Flüchtlinge haben die Nacht auf Donnerstag in Notquartieren verbracht.
In Summe haben etwa 6.000 Flüchtlinge die Nacht auf Freitag in Notquartieren in Österreich verbracht. 1.600 waren bei den Sammelstellen in Nickelsdorf und Salzburg, weitere etwa 1.500 auf Bahnhöfen. Diese Zahlen nannte der Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, Gerry Foitik.

Die Nacht auf Donnerstag hatten 9.500 Flüchtlinge in Notquartieren in Österreich verbracht, 1.200 weitere befanden sich in der Früh an Sammelstellen. Die Flüchtlingssituation im Burgenland stellte sich laut der Landespolizeidirektion am Freitag so dar: Am Donnerstag hatten binnen 24 Stunden 5.235 Flüchtling die Grenze in Nickelsdorf überquert. In Heiligenkreuz wurden keine registriert. Am Freitag bis 7.00 Uhr gab es in Nickelsdorf 537 Grenzübertritte, keinen in Heiligenkreuz.

Eisenstadt: Zeltunterbringung ist Geschichte

Indes ist die Zeltunterbringung von Flüchtlingen am Gelände der Landespolizeidirektion in Eisenstadt ab heute, Freitag, Geschichte. "Derzeit wird in den neuen Bauhof übersiedelt. Die Flüchtlinge werden schon heute ihre erste Nacht im warmen Bauhof verbringen", sagte Stadtchef Thomas Steiner (ÖVP) am Rande einer Pressekonferenz. In wenigen Wochen soll dann ein adaptiertes Quartier bezogen werden. Die neue Flüchtlingsunterkunft wird in der Ruster Straße in einem ehemaligen Betriebsgebäude der Telekom Austria beheimatet sein und ist baubehördlich genehmigt. Nach der gestrigen Bauverhandlung ergeht heute der Baubescheid an den Betreiber der Flüchtlingsunterkunft in der Ruster Straße, hieß es in einer Aussendung.

Diözese St. Pölten bereitet Unterkünfte vor

Im Bereich der Diözese St. Pölten wurden nach Angaben vom Freitag aktuell 30 weitere Unterkünfte für Flüchtlinge vorbereitet. Pfarren betreuen laut einer Aussendung aktuell mehr als 800 Menschen. Die Hilfsbereitschaft sei ungebrochen. Neben den 30 Unterkünften, die in Vorbereitung sind, werden im Bereich der Diözese St. Pölten aktuell 364 Flüchtlinge in privaten Wohnungen (34 Pfarren), 122 in pfarrlichen Einrichtungen (16 Pfarren) und 342 Flüchtlinge in Quartieren der Grundversorgung (18 Pfarren) betreut. Nicht zuletzt wurde darauf hingewiesen, dass die Klöster ebenfalls aktiv seien. "Im Stift Gottweig ist eine syrische Familie untergebracht, weiterer Platz wird geschaffen, im Stift Lilienfeld sind drei Familien, das Stift Melk bereitet im Meierhof Wohnmöglichkeiten für zwölf Flüchtlinge vor. Im Franziskanerinnenkloster Hainstetten leben zwölf Flüchtlinge, die auch von den Schwestern betreut werden."

Kommentare