Feriendomizile: "Ein System der Scheinheiligkeit"

Lech zählt zu den Hauptstädten der Feriendomizile.
Einheimische zahlen den Preis für Promi-Wohnträume in Nobelskiorten wie Lech oder Kitzbühel.

Zur Zeit liegt Schnee auf der Baustelle. Doch bis kommenden Herbst will Florian Werner in St. Christoph nahe der Arlberg-Passhöhe das "Hospiz"-Hotel seiner Familie um eine unterirdische Kunsthalle erweitern. Finanziert wird das Projekt, von dem Werner hofft, "dass es den Ort voranbringt", durch die Errichtung von zwei Appartementhäusern. Die 16 Luxussuiten darin werden an Investoren verkauft und anschließend über das Hotel vermietet. Dem Nobelhotelier ist es gelungen, den Gemeinderat von St. Anton davon zu überzeugen, dass hier nicht unter einem Deckmantel Freizeitwohnsitze errichtet werden.

Genau an dieser Überzeugungsarbeit ist kürzlich am anderen Ende von Tirol Richard Hauser, Sohn von Stanglwirt Balthasar Hauser, gescheitert. Weder der Gemeinderat von Reith bei Kitzbühel noch der Landesverwaltungsgerichtshof woll-ten glauben, dass der Unternehmer mit dem selben Investorenmodell wie Werner in seinem "Kitz Country Club" nicht doch Freizeitwohnsitze für Reiche schaffen will.

Widmungen für reine Feriendomizile unterliegen insbesondere in Tirol und Vorarlberg mit seinen bei Prominenten beliebten Skiorten längst strengen Regeln. Doch es scheint das Prinzip zu gelten: Irgendetwas geht immer – wenn das nötige Kleingeld im Spiel ist. In Lech am Arlberg kam zuletzt Bürgermeister Ludwig Muxel unter Druck. Der hat zwar gemeinsam mit den Chefs anderer Tourismusorte "illegalen" Freizeitwohnsitzen den Kampf angesagt. Sie würden etwa die Immobilienpreise für Einheimische in die Höhe treiben. Ausgerechnet Muxel musste nun aber eingestehen, dass er in den vergangenen zwölf Jahren 23 Genehmigungen für Ferienwohnungen erteilt hat. Bis auf eine der Widmungen "sind alle Bewilligungen befristet erteilt worden", versicherte der Bürgermeister gegenüber dem KURIER.

Zweierlei Maß

Genau diese Ausnahme hat jedoch Symbolkraft: Formel-1-Star Sebastian Vettel hat sie es ermöglicht, eine Wohnung in einem Lecher Appartementhaus eines Hoteliers zu erstehen. Kaufpreis 3,5 Millionen Euro. Muxel betont, dass alle Bewilligungen erteilt worden seien, um Einheimischen in finanziell schwierigen Situationen zu helfen. Der Dornbirner Rechtsanwalt Karl Schelling ortet jedoch "ein System der Scheinheiligkeit. Ich kenne Fälle, in denen Leute keine Genehmigung erhalten haben, obwohl sie sie dringend gebraucht hätten".

In Kitzbühel darf nicht einmal mehr der Gemeinderat Freizeitwohnsitze bewilligen. Die vom Land festgelegte Quote liegt bei acht Prozent. Doch in den Jahrzehnten bevor dieses Limit eingeführt wurde, hat sich die Stadt am Hahnenkamm längst selbst ausverkauft. Heute zählt sie bei rund 8200 Einwohnern aktuell 1033 Ferienwohnsitze. Im Dunkeln blüht ein System "illegaler" Domizile. Der Oppositions-Gemeinderat Thomas Nothegger sieht die große Zahl an Wohnobjekten, in denen niemand gemeldet ist, als Indiz dafür. Im August wären es rund 2300 gewesen. "Einheimische wohnen vermehrt an der Peripherie oder müssen wegen der hohen Immobilienpreise wegziehen", beschreibt Nothegger die Auswirkungen des Drucks durch finanzkräftige Auswärtige auf den Immo-Markt. Ein Ende ist nicht in Sicht.

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