Der Kapellmeister der Nazis

Sepp Tanzer (mit verschränkten Armen) leitet den Gaumusikzug - hier in den Uniformen der politischen Leiter - 1938 am Adolf-Hitler-Platz in Innsbruck
Einstiger NS-Gaumusikleiter ist nicht mehr Namenspatron für Tiroler Musikschule.

Gerade einmal fünf Jahre ist es her, dass Sepp Tanzer zum Namenspatron der Landesmusikschule in Kramsach auserkoren wurde. Am Dienstag hat die Tiroler Landesregierung nun beschlossen, diesen Schritt wieder rückgängig zu machen. „Tanzer ist ein bedeutender Komponist der Blasmusik. Aber er hat auch eine Rolle gespielt, die nicht dazu geeignet ist, eine öffentliche Bildungseinrichtung nach ihm zu benennen“, begründet Kulturlandesrätin Beate Palfrader (VP) die Entscheidung.

Der Kapellmeister der Nazis
Landesrätin für Bildung und Kultur, Beate Palfrader

NS-Filme vertont

Tanzer war niemand geringerer als eine der Schlüsselfiguren in den Plänen, welche die Nazis nach dem Anschluss 1938 mit Tirol hatten. „Man wollte das Image des wehrhaften Schützenvolkes pflegen. Außerdem sollte Tirol als Blasmusik-Gau im Deutschen Reich positioniert werden“, erzählt Musikwissenschaftler Thomas Nußbaumer. Der Tiroler Komponist und Kapellmeister Sepp Tanzer tat sich dabei als Gau-Musikleiter besonders hervor. „Er vertonte etwa NS-Propagandafilme vom Landesschießen, dem Hauptevent der NSDAP in Tirol“, nennt Nußbaumer ein Beispiel, das die Rolle des 1983 verstorbenen Komponisten aufzeigt. Seinen „Standschützenmarsch“, der bis heute zum Standardrepertoire der Tiroler Blasmusikkapellen gehört, widmete Tanzer Gauleiter Franz Hofer.

Dass Tanzer, der nach Kriegsende als Landeskapellmeister weiter Karriere machte, trotzdem eine Musikschule gewidmet wurde, hätte man sich laut Franz Gratl, Musikkustos der Tiroler Landesmuseen, sparen können: „Bereits damals haben viele darauf hingewiesen, dass er in die NS-Zeit involviert war.“ Das beweist auch ein Blick ins KURIER-Archiv, in dem sich ein Artikel mit dem Titel „Musikschule nach früherem NS-Gaumusikleiter benannt“ aus dem Jahr 2008 findet.

Doch Druck hat sich erst in den vergangenen zwei Jahren aufgebaut. Auslöser war ein unter anderem von Gratl mitunterschriebener offener Brief. In dem wurde die Veröffentlichung einer CD mit Werken des Tiroler Blasmusikkomponisten Josef Eduard Ploner kritisiert, dessen NS-Vergangenheit im Booklet verschwiegen wurde. Der Herausgeber, das Institut für Tiroler Musikforschung, erhielt für das Projekt Landesförderungen, die inzwischen eingestellt wurden.

Auslöser für Diskussion

Seither läuft eine intensive Diskussion über die Rolle von Tiroler Komponisten während des Nationalsozialismus, die von immer neuen Erkenntnissen der Wissenschaft zusätzlich befeuert wird. Dass man Sepp Tanzer erst jetzt aus dem Namen der Kramsacher Musikschule streicht, hat laut Landesrätin Palfrader den Grund, dass sie zuerst „genaue Recherchen“ zu Tanzer abwarten wollte. Inzwischen stehe fest, dass er Gaumusikleiter war, ein Konzert bei einem Treffen von Adolf Hitler und Benito Mussolini 1940 auf dem Brenner dirigiert hat und nach 1945 ein dreijähriges Auftrittsverbot erhielt.

Das freilich sind Fakten, die laut Franz Gratl schon 2008 kein Geheimnis waren, als Sepp Tanzer unter Palfraders Vorgänger zum Namensgeber für eine Schule wurde.

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