Fall Sofia: "Kinderrechte mit Füßen getreten"

Fall Sofia: "Kinderrechte mit Füßen getreten"
Doris Povse tauchte unter, um ihre Tochter nicht zu verlieren. Nun hat die Mutter über ihre Flucht vor den Behörden ein Buch geschrieben.

Es war das mediale Thema Nummer eins des letzten Sommers: Vier Wochen dauerte die Flucht vor den Behörden, die Tochter Sofia zum Vater nach Italien bringen wollten, bis Doris Povse mit ihrer Tochter Sofia im Jet von Milliardär Frank Stronach nach Österreich zurückkehren konnte.

Nun erzählt die Mutter im Buch Nicht mit uns über die belastenden Wochen auf der Flucht.

KURIER: Frau Povse, auf den ersten Seiten entschuldigen Sie sich bei Ihrer Tochter, dass Sie sie vor einem Jahr in die Öffentlichkeit gezerrt haben. Warum schreiben Sie nun ein Buch über Ihren Obsorgestreit?

Doris Povse:Das Buch beschreibt den Fall aus der Sicht als Mutter und Frau. Ich möchte aufzeigen, was im zivilisierten Europa mit Kindern passiert. Es ist für jede Mutter eine Qual, wenn man jeden Tag fürchten muss, dass dir die Tochter weggenommen wird. Jedes Mail habe ich mit Herzklopfen geöffnet, weil ich vor der nächsten Hiobsbotschaft Angst hatte. Auch wenn mir manche vorwerfen wollen, dass ich das Verfahren hinausgezögert habe, kann man die Kinder nicht mit so unmenschlichen Methoden von einem Elternteil trennen. Hier werden die Kinderrechte mit Füßen getreten.

Welche Fehler haben Sie in diesem Obsorgestreit gemacht?

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Ich war verliebt und sicherlich naiv. Als ich Italien 2008 verlassen wollte, habe ich noch extra bei einer italienischen Anwältin rechtlichen Rat eingeholt, ob ich Italien verlassen darf. Sie sagte damals: kein Problem. Ich wusste nicht, dass ich damit eine Kindesentführung nach italienischem Recht begehe. Abgesehen davon finde ich es absurd, dass man von Kindesentführung spricht, wenn die Mutter mit ihrem Kind zu den Großeltern zieht, weil die Mutter vom Lebensgefährten bedroht wird.

Ihr Obsorgestreit ist kein Einzelfall. Wie müsste sich aus Ihrer Sicht die rechtliche Situation in der EU ändern, damit Trennungen friedlicher verlaufen?

In der EU herrscht im Moment ein Widerspruch. Da gibt es die unbegrenzte Freiheit. Jeder EU-Bürger kann leben und arbeiten, wo er will. Aber sobald man Mutter wird, ist man 18 Jahre im Geburtsland gefangen, wenn der Vater mit der Ausreise nicht einverstanden ist. Die EU ist für mich ein Frauengefängnis.

Wie oft wechselten Sie das Versteck?

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Insgesamt waren es sechs Verstecke. Das letzte war auf Gran Canaria.

Was waren die schlimmsten Momente?

Der schlimmste Moment war, als mich mein Lebensgefährte am 24. Juli im Versteck anrief und mir erzählte, dass die Behörden in Begleitung von Kriminalpolizisten ins Haus kommen, um Sofia abzuholen. Und der zweite schlimme Moment war, als ich im Versteck erfahren habe, dass ein EU-Haftbefehl gegen mich erlassen wurde. Da ist für mich alles eingestürzt, weil ich keinen Ausweg mehr sah.

Wie haben Sie Ihrer Tochter Sofia die Flucht erklärt?

Fall Sofia: "Kinderrechte mit Füßen getreten"
privat Fotos von Frau Povse per Email von Ida Metzger
Meiner Tochter habe ich die Wahrheit gesagt, dass wir uns verstecken müssen, damit sie die Polizei nicht nach Italien bringt. Sofia hat in dieser Zeit alles akzeptiert, was ich ihr gesagt habe. Ich glaube, sie hat gefühlt, dass sie jetzt mitmachen muss, damit sie bei mir bleiben darf.

Die italienischen Behörden prüfen die Obsorge-Entscheidung nochmals. Was passiert, wenn wieder entscheiden wird, dass Sofia zum Vater muss?

Dann tauche ich wieder mit Sofia unter.

Kampf ums Kind: Die Flucht als Buch

Der Fall nimmt 2008 seinen Anfang. Doris Povse verlässt mit ihrer Tochter Italien. Ein Gericht in Italien spricht dem Vater nach vier Jahren Streit die gemeinsame Tochter zu. Doch die kann sich gar nicht mehr an ihren Vater erinnern und versteht kein Wort Italienisch. Povse geht bis zum Äußersten.Sie taucht mit ihrer Tochter unter, riskiert eine Haftstrafe. Im Buch "Nicht mit uns" arbeitet die Mutter den Fall auf.

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