Ringen um die Identität

Entlang des Flusses Varda wurden und werden in Skopje neue Parlaments- und Regierungsgebäude im neoklassizistischen Stil erbaut.
Ernste politische und wirtschaftliche Probleme erschweren den angestrebten EU-Beitritt.

698 km nach Athen, zeigt der Wegweiser in Skopje, der Hauptstadt Mazedoniens, an. Nach Pristina, der Hauptstadt des Kosovo, sind es lediglich 92 km. Mit Griechenland liegen die Mazedonier seit jeher im Streit, verweigern die Griechen ihrem nördlichen Nachbarn wegen des Namens die Anerkennung, weil sie selbst über eine Provinz mit dem Namen Mazedonien verfügen.

Die Mazedonier wiederum wollen zeigen, dass sie die ursprünglichen Griechen sind. Ein riesiges Reiterstandbild von Alexander dem Großen ziert das Zentrum der 500.000-Einwohner-Hauptstadt Skopje. Am Ufer des Flusses Varda (siehe Bild) baut die Regierung neue Verwaltungsgebäude im klassizistischen Stil, die an die alten Griechen erinnern sollen. Sie sind Ausdruck des Ringens nach Identität. 26.000 Quadratkilometer ist das Land klein, zwei Millionen Menschen leben hier im Süden des Balkans. Mit dem Zerfall Jugoslawiens erhielt es 1991 die Unabhängigkeit. 2005 wurde ihm von der EU der Beitrittskandidatenstatus zugesprochen.

100 Euro im Monat

Die wirtschaftlichen und politischen Probleme sind groß. Die Arbeitslosigkeit beträgt 30 Prozent, der Mindestlohn liegt bei 130 Euro im Monat. Dabei kosten Elektrogeräte vergleichsweise mehr als in Österreich. In der Bekleidungsindustrie werden 100 bis 110 Euro bezahlt, Bekleidung ist das Hauptexportgut. Österreich ist mit 485 Millionen Euro der zweitgrößte Auslandsinvestor, 45 Firmen sind vor Ort aktiv. Sie beklagen die Rechtsunsicherheit und Liquiditätsschwächen, auch von der öffentlichen Hand.

64 Prozent der Bevölkerung bezeichnen sich als Mazedonier, rund 25 Prozent als Albaner. Die Roma sind die drittgrößte Gruppe. 2001 kam es zum Bürgerkrieg. Albaner besetzten die Grenzdörfer. In der Folge wurde ein Friedensvertrag unterzeichnet, Albanisch wurde als Sprache anerkannt. 2012 wurde die Opposition nach Tumulten gewaltsam aus dem Parlament entfernt. Es folgten Befriedungsversuche, die albanische Opposition nahm wieder an Lokalwahlen teil. "Aber die Krise von 2012 ist noch immer nicht bereinigt", erklärt Gabriele Janezic, Vizekonsulin an der österreichischen Botschaft. Anfang des Jahres habe es eine Präsidentenwahl und eine vorgezogene Parlamentswahl gegeben, die von Boykottaufrufen der Albaner überschattet waren. "Keiner der beiden Präsidentschaftskandidaten war Albaner, die Opposition hatte es tatsächlich schwerer", so Janezic. "Jetzt gibt es ein Parlament ohne Opposition. Die Regierung kann sogar allein über die Verfassung abstimmen."

EU-Nein droht

Innerhalb der internationalen Gemeinschaft, die die Vorgänge im Land beobachtet, gibt es inzwischen "eine gewisse Müdigkeit, hier einzugreifen und zu vermitteln". Es steht auch die Drohung der EU im Raum, die Beitrittsverhandlungen nicht zu eröffnen. Manche bezweifeln sogar, dass sich Mazedonien längerfristig als eigenständiger Staat halten kann.

Serben werden verfolgt

Die Anstrengungen zur Nationenbildung beeinträchtigen die Religionsfreiheit. Die Regierung behindert die serbisch-orthodoxe Kirche in der Religionsausübung, denn sie sieht die mazedonische Orthodoxie, die die Mehrheit vertritt, als einzig rechtmäßige Kirchenvertretung. "Erzbischof Jowan wird staatlich verfolgt. In den vergangenen Jahren wurde er zwölf Mal inhaftiert. Amnesty International führt ihn als Gewissensgefangenen", erklärt der serbisch-orthodoxe Bischof David vom Erzbistum Ohrid. "Aber es wird nicht nur uns die Anerkennung verweigert, sondern auch einer muslimischen Gemeinschaft."

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