"Der Handel diktiert uns die Preise"

„Im weltweiten Vergleich produziert Österreichs Landwirtschaft nachhaltig“: Jakob Auer.
Der Präsident des Bauernbundes über die schlechten Preise und nachhaltige Produktion.

Jakob Auer ist Präsident des Bauernbundes. Der 66-Jährige gehört seit 31 Jahren dem Nationalrat an, weiters ist er Vorsitzender des Aufsichtsrates der Raiffeisenbank Landesbank Oberösterreich.

KURIER: Wie geht es den Bauern?

Jakob Auer: Heuer leiden wir unter erschwerten Bedingungen. Die Preissituation ist teilweise dramatisch. Wir haben Probleme beim Getreidepreis und bei der Milch. Wir hatten eine schwierige Situation beim Obst und beim Gemüse. Das heurige Jahr war ein durchwachsenes. Verstärkt wurden die Schwierigkeiten durch den Wegfall des russischen Marktes.

Sie üben massive Kritik am Handel, weil die bäuerlichen Produkte zu wenig geschätzt werden.

So ist das. Ein Liter Trinkmilch kostet 59 Cent. Der Liter Katzenmilch 4,79 Euro. Wenn ein Kilogramm bestes Schnitzelfleisch billiger ist als ein Kilo Katzenfutter, dann hapert es an der Wertschätzung. Es ärgert mich ungeheuer, dass die Einkäufer der Handelsketten einem Teil der hart arbeitenden Bevölkerung, den Bauern, die Wertschätzung nicht mehr entgegenbringen. Ich bin dem Katzerl alles vergönnt, aber wenn das Lebensmittel Nummer eins, die Milch, nicht mehr kosten darf, weil man sie bewusst so hinunterdrückt, dann stimmen die Relationen nicht mehr.

Der Handel argumentiert mit der internationalen Marktlage.

Wenn es international so wäre, dann frage ich mich, warum man in Südtirol keinen Liter Milch unter einem Euro findet? Das ist ganz bewusst gesteuert, unterstützt von der Arbeiterkammer, die unzulässige Vergleiche herstellt und sagt, die Lebensmittel seien bei uns viel teurer als in Deutschland. Sie vergessen dabei, dass es in Österreich die höchste Dichte an Verkaufsläden gibt. 87 Prozent des Handels sind bei drei Ketten konzentriert. Bei Billa (Rewe), Hofer und Spar. Sie diktieren den Markt. Die Arbeiterkammer berücksichtigt auch nicht, dass es hier die größte Dichte an Aktionspreisen gibt. Wenn man sie auch heranziehen würde, stellt sich der Durchschnittspreis anders dar.

Die Konsumenten greifen gerne zu regionalen Produkten. Trotzdem sind Sie unzufrieden.

Man muss dem Konsumenten dankbar sein, dass er trotz der Kampagne, die die Arbeiterkammer fährt, zur österreichischen Qualität greift. Er macht das ganz bewusst, denn die österreichische Qualität ist einfach besser. Wo gibt es sonst die gentechnikfreie Milch? Viele europäische Länder haben Nachholbedarf. Wir haben in Österreich eine kleine, überschaubare Landwirtschaft, auch wenn manche meinen, bei uns gäbe es Industriebetriebe. Das ist ja geradezu lächerlich. Wir haben das AMA-Gütesiegel, das für österreichische Qualität steht.

Zulieferbetriebe von Genussland Oberösterreich beklagen, dass sie vom Handel preislich unter Druck gesetzt werden.

Das ist so. Der Handel diktiert den Preis. Man braucht nur die Betriebe fragen, die an den Handel liefern wollen, wie viel Listungsgebühr verlangt wird, damit sie sich im Regal wiederfinden. Das wird zwar oft verschwiegen, aber das ist Tatsache. Der Handel benützt die österreichische Marke, die ländliche Idylle und den österreichischen Bauern als Werbeträger und setzt sehr viel ausländisches Zeug ein.

Ein Beispiel. Wir haben in Österreich eine Putenfleischproduktion von 45 Prozent. Wir können aber mit den ausländischen Erzeugern nicht mithalten, da wir aufgrund des österreichischen Tierschutzgesetzes eine geringere Besatzdichte pro Quadratmeter haben.

Das ist ja nicht unvernünftig.

Aber dann bitte überall. Wenn ich mein Produkt unter erschwerten Bedingungen herstellten muss, muss man mir so viel mehr Geld geben oder ich bekomme dieselben Wettbewerbsbedingungen. Die österreichische Landwirtschaft ist durchaus wettbewerbsbereit, aber unter gleichen Bedingungen.

Im vergangenen Jahr haben neuerlich 2400 bäuerliche Betriebe aufgehört. Damit setzt sich der jahrzehntelange Trend fort, er verlangsamt sich aber.

Seit dem EU-Beitritt 1995 hat sich die Entwicklung deutlich verlangsamt. Die Betriebsaufgabe geht im Westen Österreichs deutlich langsamer vor sich als im Osten mit den vermeintlich großen Strukturen. Man darf hier auch nicht vergessen, dass täglich ein 22,4 Hektar großer Bauernhof verbetoniert wird. Der Flächenfraß hat ungeheure Maße angenommen.

Die Bauern müssten ja ihren Grund nicht verkaufen.

Das ist richtig, aber sie werden auch enteignet. Zum Beispiel beim Straßenbau, bei der Eisenbahn. Dass wir Grund und Boden zum Bau von Häusern benötigen, ist unbestritten. Aber ob wir so viel Grund für jedes Fachmarktzentrum inklusive der Parkplätze benötige, bezweifele ich. Man könnte auch in die Höhe bzw. in die Tiefe gehen.

Der Bioguru Werner Lampert kritisierte im KURIER-Interview die Bauernvertreter, weil sie die Landwirte in die Industrialisierung getrieben haben.

Es zahlt sich nicht einmal mehr aus, über den Herrn Lampert zu lachen. Er möchte mit den Methoden des 18. Jahrhunderts die Ernährung der Menschheit sicherstellen. Es ist offensichtlich an ihm vorübergegangen, dass wir eine stark wachsende Erdbevölkerung haben und gleichzeitig eine deutliche Verringerung der gesamten Produktionsfläche. Auch in Österreich. Allein in Deutschland verringert sich die Produktionsfläche jährlich um 100.000 Hektar.

Wir in den westlichen Industriestaaten leiden unter der landwirtschaftlichen Überproduktion, gleichzeitig hungert eine Milliarde Menschen.

Wir sind offensichtlich nicht in der Lage, die Güter, die hier erzeugt werden, dorthin zu bringen, wo sie die Menschen dringend brauchen. Aber es gilt hier auch der Bibelspruch Schenkst Du mir einen Fisch, bin ich einen Tag satt, lehrst Du mich das Fischen, bin ich immer satt. Da versagt die Entwicklungspolitik, dass man den Menschen vor Ort das Know-how, den Umgang mit der Produktion vermittelt.

Ende Jänner 2015 finden die Wahlen zur Landwirtschaftskammer statt. Sie wird seither vom Bauernbund dominiert. Was macht diese Stärke aus?

Ich sehe viele Mitbewerber, die vorgeben, sich für die Bauern einzusetzen, das ganze Jahr nicht. Der Bauernbund ist täglich da. Die SPÖ hat auf Bundesebene einen Agrarsprecher, der mit der Landwirtschaft sehr wenig zu tun hat. Die Freiheitlichen haben einen Bauern als Sprecher, der seinen Betrieb verpachtet hat. Das Team Stronach ist in Auflösung begriffen. Die Grünen haben Wolfgang Pirklhuber, der bemüht ist, der aber mit lauter Kontrolle glaubt, er kann die Welt neu erfinden.

In welche Richtung sollte sich die Landwirtschaft entwickeln? Richtung Bio?

Die Landwirtschaft erlebt einen Boom der Regionalität. Bio ist eine gute Sache, aber nur eine Nische. Denn wie können sich der Mindestrentner und eine alleinerziehende Mutter diese hochwertigen Bio-Produkte leisten? Sie können preislich nicht mit.

Bio ist zu teuer?

Nein, die Produktion kostet einfach mehr. Der Bauer hat auch Kosten. Wenn man unter schwierigeren Bedingungen produzieren muss, hat man höhere Kosten. Eine biologisch produzierte Ware ist halt einfach etwas teurer.

Bio bleibt eine Nische?

Bio bleibt eine wesentliche Nische. Österreich ist am biologischen Sektor Weltmeister. Derzeit macht das in etwa 20 Prozent aus. Wenn heute ganz Österreich biologisch bewirtschaftet würde, würde das die Preise ruinieren. Wir wollen das biologisch produzieren, was der Markt annimmt. Wenn ich mir die konventionelle Landwirtschaft in Österreich anschaue, ist sie im weltweiten Vergleich auch nichts anderes als biologisch und nachhaltig bewirtschaftet.

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