"Die alte Wirtshauskultur ist tot"
Spitzendeckerl liegen akkurat in der Mitte eines jeden rustikalen Holztisches, darauf stehen Menage, Zuckerspender, Bierdeckel und ein angestaubtes Blumengesteck. Nur der leicht muffige Duft verrät, dass in dieser Gaststube schon lange niemand mehr Schnitzel und Bier genossen hat. Das Gasthaus "Bachlwirt" in Berndorf im Salzburger Flachgau hat vor fünf Jahren zugesperrt, Wirt Wolfgang Danninger hat aber alles so gelassen, wie es war.
Kulinarische Identität
Die Lücke füllen so genannte Ethno-Lokale – das sind chinesische, griechische oder italienische Restaurants. Als "sozialer Nahversorger" würden diese aber wenig taugen. "Das klassische Wirtshaus ist ein Ort der Begegnung, es stärkt den Gemeinschaftssinn", sagt Frömmel. Positiv bemerken könne man, dass die Gastronomie offener, internationaler geworden sei. "Unsere kulinarische Identität machen trotzdem Schnitzel und Knödel aus", betont Frömmel.
In Oberösterreich gibt es den Verein "Kulti-Wirt". Die 76 Mitgliedsbetriebe sind mit einem eigenen Logo gekennzeichnet. "Es ist ein Qualitätssiegel, das auch den Touristen zeigen soll: Hier wird noch regional gekocht und hier wird echte Wirtshaustradition gelebt."
Ein ähnliches Ziel verfolgt der Verein "Salzburger Wirtshaus", jedoch weniger offensiv. In Salzburg sei das Phänomen des "Wirtshaussterbens" noch relativ neu, sagt Alois Ebner von der Salzburger Wirtschaftskammer, der selbst ein Gasthaus in Hintersee führt. In den Tourismusgebieten könne man gut von den Saisongästen leben, schlecht schaue es hingegen für Betriebe aus, die von den Einheimischen abhängig seien. "Wenn der Wirt keine Nächtigungen hat, wird es sehr schwierig."
Retro-Trend
Ein Markt, der für die Wirte zu einem großen Teil weggebrochen ist, seien die Vereine, erklärt Ebner: "Sie bauen sich ein eigenes Heim mit Küche und Sitzbereich, wo die Mitglieder ihr Bier zum Einkaufspreis konsumieren. Da kann ein Wirt nicht mithalten."
Das musste auch Zoran Jurisic feststellen, der vor zwei Jahren das Gasthaus "Neuwirt" in Berndorf übernommen hat. Der Bürgermeister habe ihn zum Kauf motiviert, damit die Einwohner von Berndorf einen Saal für Hochzeiten, Taufen und Zehrungen haben. Diese Sparte laufe gut, sagt Jurisic. Das Tagesgeschäft sei hingegen mager: "Jeder Verein sitzt in seinem eigenen Kammerl, der Stammtisch existiert praktisch nicht mehr. Die alte Wirtshauskultur ist tot."
So drastisch würde es Spartenobmann Frömmel nicht ausdrücken: "Ich sehe einen Retro-Trend bei der Jugend. Es wird durchaus noch Wert auf die heimische Küche gelegt. Der Wirt ist mehr denn je gefordert, ein gutes Angebot zu schaffen."
Eine Konditorei, ein Pub, ein Mostheuriger. Verhungern oder verdursten muss man in Anthering nicht. Der kleinen Flachgauer Gemeinde fehlt trotzdem etwas: ein klassisches Wirtshaus. Der "Voglwirt" hat 2012 zugesperrt, damit schlossen sich auch die Tore des dazugehörigen Veranstaltungssaales.
Anthering ist ein Beispiel dafür, dass die ländlichen Gemeinden das Wirtshaussterben nicht kampflos hinnehmen müssen. "Die schwierigen Rahmenbedingungen sind der Ausgangspunkt zur Entwicklung neuer Lösungen", sagt Anita Moser von der Salzburger Gemeindeentwicklung, die am 29. Mai zu der Exkursion "Dorf wird Wirt" lädt. Mit interessierten Gemeindevertretern besucht Moser zwei bayrische Gemeinden, die sich selbst geholfen haben.
In Übersee haben die Einwohner Aktien für ein Wirtshaus gekauft. Mit dem Geld wurde es renoviert. Die Dividende erfolgt durch Gutscheine für Schnitzel und Bier. Die Einwohner von Tittmoning haben eine Genossenschaft gegründet. Jeder konnte sich an den Renovierungskosten beteiligen oder selbst mitarbeiten. Dank der Eigeninitiative dieser beider Gemeinden wurden wieder Pächter angelockt.
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