"Aggressiver, schneller, körperbetonter, taktischer"

Starfußballer Hansi Müller (57) ist Aufsichtsrat des VfB-Stuttgart und Gemeinderat in Korb bei Stuttgart.
Der Ex-Internationale über den Fußball in den 1980-er Jahren und heute. Der 57-Jährige ist Aufsichtsrat des VfB Stuttgart und seit dem Frühjahr Gemeinderat in Korb.

Der ehemalige Starfußballer Hansi Müller referierte gestern, Samstag, vor 1200 Bürgermeistern und Gemeinderäten des Kommunalpolitschen Forums der ÖVP in Bad Schallerbach. Der 57-Jährige ist Aufsichtsrat des VfB-Stuttgart und Gemeinderat in Korb bei Stuttgart. Er wurde als Mitglied der Deutschen Nationalmannschaft 1980 Europameister und 1982 Vizeweltmeister. Von 1985 bis 1990 spielte er beim FC Swarovski Tirol. Innsbruck wurde damals zweimal Meister, einmal Cupsieger und erreichte das 1987 das UEFA-Cup-Semifinale.

KURIER: Wie geht es dem österreichischen Fußball?Hansi Müller: So gut wie schon lange nicht mehr. Zumindest international gesehen.

Was sind die Ursachen?

Viele Spieler der Nationalmannschaft sammeln ihre Erfahrung in der deutschen Bundesliga.Ich kenne Florian Klein und Martin Harnik vom VfB Stuttgart. Beide haben gegen die Russen sehr gut gespielt. Bei Harnik kann man bemängeln, dass er aus vielen Chancen wieder einmal das Tor nicht gemacht hat. Für diese Spieler sind die Begegnungen in der Bundesliga Woche fü Woche internationale Spiele. Teamchef Marcel Koller macht einen sehr guten Job. Es zeugt von Treue, Identifikation und Qualität, wenn Koller sagt, ich gehe nicht in meine Heimat Schweiz zurück, um Nachfolger von Othmar Hitzfeld zu werden, sondern mache beim ÖFB weiter.

Zur österreichischen Bundesliga kann ich nichts sagen, da ich sie zu wenig verfolge.

Wie ist die Lage in der deutschen Bundesliga?

Oben ist es durch die Dominanz von Bayern München wieder langweilig.Dortmund erholt sich wieder und zeigt in der Championsleague, es kann. Die Meisterschaft ist mehr oder weniger entschieden. Auch wenn die Bayern jetzt größere Verletzungsprobleme haben, so haben sie doch jede Position in ihrem Kader doppelt hochkarätig besetzt. Sie können Ausfälle kompensieren. Spannend sind die Championsleague, die Europaleague und der Kampf gegen den Abstieg in der Bundesliga. Momentan hängen mit Dortmund sieben Mannschaften unten drin, wobei man Dortmund dort nicht mitrechnen darf. Mein Verein VfB Stuttgart, wo ich seit drei Jahren Aufsichtsrat bin, ist momentan sogar Tabellenletzter.

Was sind die Ursachen für diese Krise?

Vereine, die sich normalerweise da unten bewegen wie Mainz, Augsburg oder Aufsteiger Paderborn, machen einen tollen Job. Sie haben Mannschaften, die eingespielt sind, die hungrig sind, sie laufen drei, vier Spiele in derselben Aufstellung auf. Wenn sie ein- oder zweimal verlieren, ist nicht Feuer am Dach. Aber bei Traditionsklubs wie dem VfB, dem HSV oder Hertha BSC ist sofort Theater, wenn zwei, drei Spiele nicht gewonnen wird. Diese Mannschaften sind nicht gebaut, gegen den Abstieg zu spielen, sondern sie sind vom spielerischen Potenzial eher nach oben orientiert. Wenn sie unten reinrutschen, tun sie sich doppelt schwer.

Was muss beim VfB passieren?

Wir haben uns vor sechs Wochen von Fredi Bobic als Sportvorstand getrennt. Er hat darunter gelitten, dass wir begrenzte wirtschaftliche Möglichkeiten haben. Die Transferpolitik hat nicht so funktioniert wie man es erwartet hat. Mit mehr als 40 Millionen an Spielergehälter sind wir in einem Bereich, wo wir uns vom Ranking her zwischen Platz sechs und acht bewegen. Wir müssten in der Tabelle in derselben Region sein. Wir haben vergangenes Jahr gegen den Abstieg gespielt und heuer schon wieder. Da ist etwas schief und unser Präsident, der seit vergangenem Jahr im Amt ist, weiß, dass da ein gewisser Säuberungsprozeß stattfunden muss. Es gibt Spieler, von denen wir uns trennen wollen, vielleicht auch schon im Winter. Vielleicht auch von Personalien in der Geschäftsstelle. Das muss man mit Plan und Strategie und nicht mit der Axt im Walde machen. Es wird fieberhaft nach einem Nachfolger für Bobic gesucht. Hier zeichnen sich drei, vier Personen ab. Ich hoffe, dass wir ihn in der Winterpause präsentieren können.

Wie hat sich der Fußball im Vergleich zu Ihrer Aktivenzeit in den späten 1970- und 1980-er Jahren verändert?

Wenn die Spieler von damals heute spielen würden, wäre der Akku nach spätestens 60 Minuten leer. Es wir d heute viel körperbetonter, aggressiver und schneller gespielt. Der Fußball ist auch taktisch ausgefeilter geworden. Heute spielt es sich oft 20 Meter links und rechts von der Mittellinie ab. Bei mir war es so, wenn ich einen Spieler ausgespielt habe, bin ich noch ein paar Meter weitergelaufen und habe draufgehalten. Heute spielt man einen aus, dann ist der nächste da, weil die Räume ganz eng sind. Es hat die Risikobereitschaft abgenommen und die Medienlandschaft hat sich verändert.

Was bedeutet Risikobereitschaft?

Dass ich auch einmal einen riskanten Paß spiele, der ankommt oder auch nicht, dass ich von 25 Meter schieße und der Schuß geht drei Meter über das Tor, dass ich zwei, drei Mal daneben schieße, aber die vierte Schuß geht dann rein. Die Medien sind kritischer geworden,die Spieler stehen mehr im Fokus. Da überlegt sich dann der eine oder andere, soll ich noch einmal etwas riskieren, die Konkurrenz ist groß, wenn die nächste Aktion nicht gelingt, werde ich vielleicht ausgepfiffen und hart kritisiert. Dann spielt er eher den sicherenPaß.

Ich bin ein Spieler, der das Risiko geliebt hat. Das fehlt mir heute ein bisschen. Aber es ist in der Entwicklung nachvollziehbar, dass der eine oder andere Spieler vorsichtiger ist.

Ist der Fußball nur schneller oder auch besser geworden?

Durch noch mehr Dynamik leidet vielleicht das darunter, wo man mit der Zunge schnalzt. Es gibt immer noch den schönen Fußball, aber nicht mehr in der Häufigkeit. Unsere heutigen Topstars wie Götze, Reus, Özil oder Müller sind Spieler, die es beherrschen, in der höchsten Geschwindigkeit Technik zu zeigen und den Ball zu beherrschen. Oder auch die Messis, Ronaldos, Neymars oder wie die internationalen Topstars alle heißen. Das sind wenige. In der Bundesliga gibt es noch Bellarabi. Er ist schnell am Ball und wurde deshalb sofort in die Nationalmannschaft berufen.

Was hat Sie dazu veranlasst, sich im Frühjahr in den Gemeinderat von Korb wählen zu lassen?

Ich bin von zwei Gemeinderatsmitgliedern, die ich persönlich kenne, angesprochen worden. Ich lebe seit sechs Jahren in Korb vor den Toren Stuttgarts, es hat 10.000 Einwohner. Ich habe mir vor drei Jahren ein Haus gebaut, unterhalb der Weinberge, ich fühle mich dort sehr wohl. Für die gute Atmosphäre will ich etwas zurückgeben. Ich will hier meine Lebenserfahrung, mein Netzwerk und meinen Bekanntheitsgrad einbringen. Für mich ist das eine interessante Aufgabe und eine Herzensangelegenheit. Ich bin viel rumgekommen in meinem Leben und in Korb nun angekommen.

Warum haben Sie sich für die CDU entschieden?

Ich bin parteilos.Allerdings verhehle ich nicht, dass mir die CDU sympathisch ist und ich mich mit ihr identifizieren kann. Ich strebe keine politische Karriere an, ich drehe in der Kommunalpolitik an den kleinen Rädern. Wir haben viele wichtige Themen in Korb, ob das die Schulen, die Kindergärten, die Bushaltestellen, die Neugestaltung des Ortsplatzes oder andere Themen sind. Das sind Dinge, die mir am Herzen liegen. Es geht mir auch um Wohnmöglichkeiten für junge Familien. Ich bin selbst Papa eines fünfjährigen Sohnes. Alleine in unserer Strasse leben auf einer Länge von 100 Metern 12 Kinder, davon sind die Hälfte Kleinkindern. Ich werde mit 57 noch einmal mit diesen kleinen Menschen konfrontiert, das ist etwas sehr, sehr Schönes.

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