Tauziehen um die lukrativen Betriebe

NÖ-Landeshauptmann Erwin Pröll und Wiens Bürgermeister Michael Häupl verstehen einander privat gut, kämpfen aber um jede einzelne Betriebsansiedlung in ihrem Bundesland.
Niemetz zieht nach NÖ, Palmers geht nach Wien. Warum so intensiv um Unternehmen gebuhlt wird.

Der Wettbewerb um den künftigen Produktionsstandort der "Niemetz Schwedenbombe" hat ein Ende. 2016 übersiedelt der Hersteller (seit 2013 ist das die Meinl-Tochter Heidi Chocolat) von Wien-Landstraße ins IZ NÖ Süd in Wiener Neudorf. Neben der Produktion soll eine "Schwedenbombenwelt" entstehen und es sollen zusätzliche 30 Mitarbeiter eingestellt werden.

"Das ist ein Kompliment für den Wirtschaftsstandort Niederösterreich", freut sich Landeshauptmann Erwin Pröll (VP). In Wien ist hingegen Katerstimmung angesagt. "Wir haben bis zum Schluss hart um die Schwedenbomben gekämpft", heißt es im Büro von Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner (SP). Zehn verschiedene Standorte wurden dem Meinl-Konzern angeboten. Doch wer auf die Infrastruktur der Stadt nicht angewiesen sei, den könne man schwer halten.

Kommunalsteuer

Seit Jahren buhlen Wien und NÖ um lukrative Unternehmen. Dabei geht es nicht nur um Arbeitsplätze, sonder auch um viel Geld für die Gemeinden. Wiener Neudorf etwa nimmt durch seine zahlreichen Betriebe jährlich 14 Millionen Euro an Kommunalsteuer ein. Seit 2009 sind 57 Betriebe von Wien aufs Land gezogen, etwa die Lebensmittelversuchsanstalt mit 120 Mitarbeitern. Noch heuer soll der Telekommunikationsanbieter SPL Tele mit 350 Mitarbeitern folgen. Auch Marmeladenhersteller Staud’s denkt laut über Absiedelung nach (siehe Interview).

NÖ punktet mit viel Platz, kurzen Verfahrenswegen und einem besonderen Zuckerl: Ecoplus, die Wirtschaftsagentur des Landes, bietet ein "Investorenservice" an, bei dem etwa Kontakte zu Behörden vermittelt werden und sogar Betriebsanlagen nach den Wünschen der Unternehmer errichtet werden. Im Fall von Niemetz werden vier Millionen Euro in den neuen, 6000 großen Firmensitz investiert, Niemetz mietet sich ein.Doch es geht auch umgekehrt. Palmers und das Technologieunternehmen 3M verlegen ihren Sitz nach Wien. Ebenso kehrte die Magna-Zentrale mit 300 Mitarbeitern NÖ den Rücken. Den Vorwurf, eine rot-grüne Regierung in Wien würde sich nicht um die Unternehmer kümmern, lässt das Büro Brauner daher nicht auf sich sitzen. Als Antwort auf die Konkurrenz aus NÖ will Wien vermehrt internationale Unternehmen anlocken. Letzter Coup: Rechenzentren-Spezialist "E-shelter " wird sein erstes österreichisches Zentrum in Wien errichten. "Wir arbeiten aktiv daran, den Wirtschaftsstandort Wien attraktiver zu gestalten", sagt ein Sprecher. Auch durch Standortförderungen für kleine Betriebe, die mit bis zu 250.000 Euro unterstützt werden.

Handlungsbedarf ortet Stefan Ehrlich-Adám, Obmann der Sparte Industrie der Wiener Wirtschaftskammer im Umgang der Behörden: "Derzeit nimmt die Bürokratie in Wien einen zu hohen Stellenwert ein."

Gründer-Boom

Betriebsansiedelungen In den vergangenen zehn Jahren haben sich in Wien 886 internationale Betriebe, darunter Magna oder Bosch angesiedelt. In NÖ waren es 866 Ansiedelungen und Erweiterungen, etwa ein Produktionsstandort von Böhler-Uddeholm in Kematen.

Rundumservice in NÖ Die Wirtschaftsagentur Ecoplus verfügt über 17 Wirtschaftsparks mit einer Betriebsfläche von 990 Hektar, 850 Unternehmen und 20.200 Mitarbeitern. Die Agentur begleitet Unternehmen von der Standortsuche bis zur Eröffnung des Betriebs.

Nach Niemetz denkt auch der Wiener Marmeladen- und Delikatessen-Hersteller Hans Staud laut über eine Abwanderung nach. Der KURIER hat nachgefragt.

KURIER: Herr Staud, sind Sie mit Wien nicht zufrieden?
Hans Staud:
Doch. Wien hat viele positive Seiten, ich bin ein überzeugter Wiener und Ottakringer.

Trotzdem haben Sie zuletzt angedeutet, dass Sie Ihren Betrieb absiedeln könnten. Was sind die Gründe dafür?
Es gibt derzeit Pläne, den Betrieb auszubauen. Ich habe jedoch nicht die Grundstücke wie etwa Manner und Ottakringer. Baugrund in Wien ist extrem teuer. Dazu gibt es in Wien die strengsten Auflagen der Behörden überhaupt.

Gab es bereits ein Angebot aus Niederösterreich?
Ja, die gab es bereits mehrfach. Aber in ein Industriegebiet zu gehen wie Niemetz – das kann ich mir nicht vorstellen.

Es gibt ja auch andere Gebiete in Niederösterreich.
Ich solle dort hingehen wo die Marillen wachsen, haben sie zu mir gesagt. In die Wachau.

Wann werden Sie entscheiden?
Ich bin momentan ein Zerrissener. Ich warte erst einmal den August ab, und denke im Herbst darüber nach. Was ich aber sicher nicht machen werde: Ein Bundesland gegen das andere ausspielen.

Spricht nicht auch viel für einen Verbleib in Wien?
Ja, die Mitarbeiter kommen aus Wien. Der Vorteil der Stadt ist auch, dass der Grund etwas wert ist. Sollte irgendwann einmal niemand mehr Marmelade essen wollen, würde ich auf einen Wohnbau umrüsten. Das könnte ich in Niederösterreich nicht.

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