Sag niemals Essig zu ihm

Mindestens neun Jahre lang lässt Pecoraro seinen Balsamico in den Fässern reifen
Sonst wird Balsamico-Hersteller Herwig Pecoraro aus Klosterneuburg sauer.

Herwig Pecoraro marschiert die Stiegen in Klosterneuburg-Kierling hinunter. Er schließt die Gittertür auf, öffnet die massive Tür dahinter. Und dann strömt er heraus: Ein Duft, süß wie Honig und stechend scharf zugleich. Er kommt aus den 1300 Fässern, die hier lagern. In ihnen reift das „schwarze Gold“, wie Pecoraro es nennt. Sein Aceto Balsamico.
Der 58-Jährige ist eigentlich Kammersänger an der Staatsoper. War auch Polizist. Und ist gelernter Konditor. „Die Sänger sagen, ich bin ein guter Balsamico-Produzent. Die Balsamico-Produzenten loben mich als Sänger“, lacht er. Genussmensch ist er. Und neugierig.
Mit seinem sicheren Job als Polizist fing er an, in Modena Gesang zu studieren. Dort lernte er die Balsamico-Produktion kennen. Und von dort nahm er seine ersten zwei Fässer mit. „Das Holz speichert die Informationen, die der Balsamico braucht“, schwärmt er.
Bei seiner Familie machte er sich er mit dem Mitbringsel nicht wirklich beliebt. „Die beiden Fässer haben vor 35 Jahren 40.000 Schilling gekostet. Wir hatten zwei kleine Kinder. Meine Familie wollte mich einliefern lassen“, erinnert sich Pecoraro zurück. „Diese Fässer sind unbezahlbar.“ Er wurde zum Visionär. Doch er ist sich bewusst: „Das hätte auch in die Hose gehen können.“ Seine Ehe jedenfalls hing damals am seidenen Faden.
Heute sind es viele verschiedene Fässer, die in dem Raum lagern. Denn der Balsamico und sein Ausgangsprodukt, der Grüne Veltliner, braucht sie alle. Die Esche betont die Säure. Die Edelkastanie gibt die Bitterstoffe. Die Maulbeere lässt den Balsamico cremig werden. Die Akazie verleiht ihm den Honig-Geschmack. Erst wenn der Balsamico („wir erzeugen keinen Essig“) alle Fässer durchwandert hat, ist er so richtig rund.
Vorausgesetzt, Luftfeuchtigkeit und Temperatur passen. „Traditionell wird der Balsamico in Dachböden gemacht. Er braucht große Hitze und Kälte“, erklärt Pecoraro. Er hat sich seinen Dachboden unter die Erde bauen lassen – mit moderner Technik.
12.000 bis 19.999 Liter Traubenmost verarbeitet er jährlich. „Wir verwenden nur Kabinett-Trauben aus der Region.“ Der Most wird in einem Kessel über offenem Feuer auf ein Drittel einreduziert. Durch das Oxidieren färbt sich der Most dunkel. Durch die Hitze, die der Balsamico zum Reifen braucht, beträgt der jährliche Schwund 20 Prozent. „Für einen Liter Balsamico brauchen wir 100 bis 120 Liter Most.“
Nach frühestens neun Jahren wird der Balsamico in Flaschen gefüllt. Für Liebhaber gibt es auch den 15-Jährigen. Pecoraro tropft sich etwas davon auf die Handfläche, kostet davon. „Da schmecke ich Dörrpflaume, Bitterschokolade, Espresso und ein bisschen Liebstöckl.“
Zu seinen Kunden zählen Spitzenköche. Und Private, die sich etwas gönnen wollen. Denn das schwarze Gold hat seinen Preis. Eine 0,2 Liter-Flasche des neunjährigen Balsamicos kostet 39,60 Euro, der 15-Jährige 102 Euro.
Privat nutzt Pecoraro sein Produkt ganz klassisch für den Salat. „Aber auch ein paar Tropfen aufs Carpaccio oder auf Gegrilltes. Oder frische Erdbeeren... man kann Unzähliges damit machen.“
Seine Produkte sind gefragt. Und dass er mit seinem Hobby so erfolgreich wurde, das mache ihn „demütig“. „Ich bin ein sehr zufriedener Mensch. Ich bin dankbar.“

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