Aufstand gegen 125-Dezibel-Warnsignal

Die Waldegger haben keinen Nerv mehr für das ohrenbetäubende Warnsignal der Bahn. Bürgermeister Zehetner (ganz rechts) fordert von den ÖBB eine rasche Lösung.
Ohrenbetäubendes Hupkonzert der ÖBB treibt immer mehr Bürger auf die Barrikaden.

Das Verkehrsministerium war zum Handeln gezwungen. Nachdem die Zahl der Verkehrstoten auf unbeschrankten Eisenbahnkreuzungen immer wieder für heftige Debatten gesorgt hatten, zogen die Behörden die Notbremse. Dort, wo kurzfristig keine technische Lösungen – wie Bahnschranken oder Unterführungen – möglich waren, müssen die Lokführer seit Kurzem in ganz Österreich vor diesen gefährlichen Bahnübergängen ein dreimaliges Pfeifsignal abgeben.

Das aber treibt jetzt die Anrainer auf die Barrikaden. Entlang diverser Regionalstrecken werden sie Nacht für Nacht von dem 125-Dezibel-Heulton aus dem Schlaf gerissen (das entspricht einem startenden Düsenjet in geringer Entfernung). Wutentbrannt laufen nun Initiativen und Gemeinden gegen dieses Hupkonzert Sturm.

20 Kreuzungen im Ort

Damit entsprechen die Bundesbahnen zwar der Eisenbahnverordnung, die besagt, dass schlecht einsehbare Kreuzungen ohne Schranken und Lichtsignalanlage mit dreimaligem Pfeifsignal "gesichert" werden müssen.

Was das bedeutet, schildert Bürgermeister Michael Zehetner bei einem Lokalaugenschein in Waldegg im Bezirk Wiener Neustadt. Von den 20 (!) Bahnkreuzungen, die es entlang der Gutensteinerbahn in seinem Ort gibt, sind nur fünf mit einem Lichtsignal gesichert. Bei allen anderen ertönt im Stundentakt ein Pfeifkonzert. Um sich den Signalton zu ersparen, wurden einige Kreuzungen entschärft. Trotzdem wird dort nach wie vor gehupt. Es kommen immer mehr Anrainer, die das nicht mehr aushalten", sagt Zehetner.

Aufstand gegen 125-Dezibel-Warnsignal
Bahn Pfeifsignal Beschwerden

Einige Kilometer weiter, in Seebenstein, ist die Situation ähnlich. Brigitta Moraw von der Bürgerinitiative berichtet: "Der letzte Güterzug, der drei Mal laut pfeift, fährt um 0.30 Uhr. Danach geht es zwischen vier und sechs Uhr Früh mit acht Zügen wieder los. Die Kinder leiden bereits an Schlaf- und Konzentrationsstörungen", sagt Moraw.

Umweltmediziner Hans-Peter Hutter kann sich gut vorstellen, dass der Lärm auf lange Sicht Auswirkungen auf die Gesundheit hat: "Der Signalton ist unangenehm, weil er den Sinn hat, aufzuschrecken. Wenn das in der Nacht passiert und noch dazu häufig, dann wird der Organismus in einen Stresszustand versetzt".

Aufstand gegen 125-Dezibel-Warnsignal
Umweltmediziner Hans-Peter Hutter

Für die ÖBB ist das Pfeifsignal die billigste Variante der Sicherung. Eine Lösung würde nur die Auflassung ungesicherter Kreuzungen oder der Umbau auf eine Lichtsignalanlage bringen. Die Bürgermeister bekritteln hier schleppende Verhandlungen. Als Straßenerhalter haben sie zwar die Hälfte der Umbaukosten zu tragen, Parteienstellung kommt ihnen aber keine zu.

Im Zuge der „Eisenbahnverordnung 2012“ werden sämtliche Bahnübergänge ohne Schranken- oder Lichtsignalanlage auf ihre Gefährlichkeit überprüft. Von den 3559 Kreuzungen im Netz der ÖBB sind 1937 ohne technische Sicherung. Aufgrund der Untersuchung muss bei 53 von 118 Fußgängerübergängen bereits ein Warnsignal abgegeben werden. Die Überprüfung der technisch nicht gesicherten Eisenbahnkreuzungen auf Straßen ist im Laufen und wird laut ÖBB erst 2024 abgeschlossen sein.

In St. Peter am Hart sind am 9. Dezember 2013 die 29-jährige Kathrin Berger und ihre elfjährige Tochter Alida bei einer Kollision mit einem Zug auf einem unbeschrankten Bahnübergang ums Leben gekommen. „Bevor es zu dem schrecklichen Unfall gekommen ist, haben mich Anrainer gefragt, warum die Züge immer pfeifen müssen. Ich habe gesagt, dass das schon seine Richtigkeit hat und die Menschen gewarnt werden müssen“, sagt Bürgermeister Rüdiger Buchholz. Beschwerden gebe es nun keine mehr.

Die geplante dritte Piste am Flughafen Wien-Schwechat kommt definitiv nicht vor 2025. Das versicherte Airport-Vorstand Julian Jäger gegenüber dem WirtschaftsBlatt. Wie auch schon zu früheren Zeitpunkten begründet er die Prognose mit der stagnierenden Entwicklung bei den Flugbewegungen (2013 wurden rund 22 Millionen Passagiere gezählt; 2014 rechnet das Flughafen-Management mit einem Wachstum zwischen einem und drei Prozent).

Sicher ist außerdem, dass der Genehmigungsprozess für die dritte Start- und Landebahn mehr Zeit in Anspruch nimmt als ursprünglich angenommen. Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) kann erst abgeschlossen werden, wenn das Bundesverwaltungsgericht über jene 23 Berufungen entschieden hat, die nach dem positiven Bescheid in erster Instanz gegen das umstrittene Bauprojekt eingelegt wurden.

Auch abseits der dritten Piste werden vor 2017 keine größeren Bauvorhaben in Anspruch genommen, erklärt Jäger. Zurzeit liege der Fokus auf der Terminalentwicklung. „Der 1960 in Betrieb genommene Terminal 2 muss entweder neu gebaut oder von Grund auf saniert werden.“ Zudem werden „die Verbindung zwischen dem alten und dem neuen Terminal 3 (ehemals „Skylink“) verbessert sowie neue Shoppingflächen geschaffen.“

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