"Kooperation statt Fusion"

Albert Maringer verteidigt das bestehende Gesundheitssystem und ist überzeugt, dass es auf Dauer finanzierbar bleiben wird
Der Obmann der Gebietskrankenkasse Albert Maringer lehnt Pühringers Fusionsvorschlag ab.

Albert Maringer ist seit vier Jahren Obmann der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse. Der 42-Jährige ist weiters Ortsgruppenobmann der Gewerkschaft PRO-GE in der voestalpine.

KURIER: Landeshauptmann Josef Pühringer möchte alle Krankenkassen in einem Bundesland zu einer fusionieren. Halten Sie das für eine gute Idee?

Albert Maringer: Das derzeitige System ist ein sehr gutes. Es gibt die Grundannahme, dass große Systeme billiger sind. Überall dort, wo man das gemacht hat, zeigt sich, dass das nicht eingetreten ist. Ich meine sogar, dass große Systeme unflexibler und bürokratischer werden. Einer unserer Vorteile ist die Nähe zu den Versicherten und ihren Bedürfnissen. Wäre unsere Gebietskrankenkasse in Deutschland angesiedelt, würden wir mit unseren 1,2 Millionen Versicherten zu den zehn größten gehören.

Es gibt eine eigene Sozialversicherung für die Selbstständigen. Das ist gut, denn Bedürfnisse eines Selbstständigen sind völlig andere als für einen Arbeitnehmer. Es brauchen auch die Bauern andere Leistungen.

Sie glauben, dass eine Fusion finanziell nichts bringt.

Der Effekt wird nicht eintreten. Die Fragestellungen ändern sich nicht. Wie bekommt man eine effiziente und menschliche Versorgung, wie kann man mit den Versorgungspartnern wie den Ärzten kooperieren? Wie kann man alle miteinander vernetzen?

Pühringers Vorschlag ist von der Motivation getragen, alle Einsparpotenziale zu heben, um das Gesundheitssystem finanzierbar zu halten. Wo sehen Sie Einsparmöglichkeiten?

Unsere Verwaltungskosten sind mit 2,5 Prozent sehr gering. Wir wollen nicht beim Versicherten sparen. Wir wollen für sie die bestmögliche Versorgung. Es geht um die richtige Versorgung zum richtigen Zeitpunkt zur richtigen Qualität. Das kann möglicherweise bedeuten, dass es die teuerste Versorgung ist, wenn sie ihm hilft. Wir sparen menschliches Leid, der Patient kann am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Ich meine, Kooperation ist das Wort der Stunde.

Wo kann man diese Kooperationen konkretisieren? Die Krankenhäuser der Elisabethinen und der Barmherzigen Schwestern schließen sich nun zum Ordensklinikum zusammen.

Wir haben in Oberösterreich diesen Kooperationsgedanken schon sehr lange. Wir können dadurch mit unseren Systempartnern an neue Produkte und Bedürfnisse herangehen. Es herrscht hier ein guter Geist. Wir haben zum Beispiel mit dem Land eine sehr gute und enge Kooperation. Wir analysieren die gemeinsamen Probleme und Zuständigkeiten und finden dann eine Lösung. Diese Reibung ist ein Vorteil, weil dadurch Qualität hineinkommt. Wir versuchen derzeit, das System weiterzuentwickeln. Ein Beispiel ist, das wir gemeinsam eine stationäre Hospizabteilung bei den Elisabethinen einrichten. Ein anderes ist die Unterstützung von Müttern von Kleinkindern. Ein weiteres ist die Zur-Verfügung-Stellung von elektrischen Rollstühlen. Wir versuchen gemeinsam, die Probleme der Bürger zu lösen, die Menschen bekommen trotz unterschiedlicher Zuständigkeiten die Leistung aus einem Guss. Ein weiteres Beispiel ist die Einführung des neuen Notarztsystem HÄND.

Müssen Strukturen nicht verändert werden?

Das, was wir predigen, ist nicht der Knaller. Strukturen zu verändern, hört sich vielleicht besser an. Unser Haus hat immer bewiesen, dass es an den Problemen und Bedürfnissen der Menschen arbeitet. Ich meine, dass wir in Zukunft noch viel tiefer kooperieren werden müssen. Indem man sich zum Beispiel überlegt, dass man den Versicherten Behandlungspfade anbietet. Wir müssen uns noch stärker vernetzen.

Es werden nun Gesundheitszentren, sogenannte Primary Health Care Center, gebaut. Ärzte lehnen dieEinrichtung solcher gemeinsamer Ordinationen in den Spitälern aber ab.

Wir haben in Oberösterreich eine Finanzierung für Enns zustande gebracht. Mit dem Land, der Sozialversicherung und der Ärztekammer. Die Frage, die sich die Ärztekammer stellt, ist ihre Rolle dahinter. Hier geht es um das Vertragswesen. Es geht momentan um die Gesetzeswerdung.

Wir haben kürzlich hier im Haus eine Veranstaltung mit rund 100 Ärzten gehabt, bei der es um potenzielle Standorte für diese Gesundheitszentren gegangen ist.

Wie viele solcher Zentren wird es geben?

Das kann man noch nicht genau sagen. Elf Ärzte haben ihr konkretes Interesse geäußert. Das Ganze ist in der Sondierungsphase. Enns soll im Jänner 2017 eröffnet werden.

Ein Problem, mit dem Sie als erfolgreiches Haus konfrontiert sind, ist, dass Sie Geld an andere, marode Gebietskrankenkassen wie die Wiener überweisen müssen. Wie möchten Sie das ändern?

Es hört sich vielleicht eigenartig an, wenn ich das als oberösterreichischer Kassenvertreter sage. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis mit den Wiener Kollegen. Wir sind schon längst weg davon, dass wir uns plump beflegeln. Ich stehe dazu, dass es einen Strukturausgleich gibt. Das sage ich ganz ehrlich. Es gibt Kassen, die strukturelle Nachteile wie eine ältere Bevölkerung haben. Es hat wahrscheinlich auch einmal eine Zeit gegeben, in der die oberösterreichische Gebietskrankenkasse Nutznießer dieses Systems gewesen ist. Wir waren nicht immer gut, wir haben uns verändert.

Sie können damit leben, auch wenn Sie zuletzt 20 Millionen Euro an Wien überweisen mussten?

Ja, weil es hilft, in Österreich ein gutes Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten. Wir sind keine Sparkasse.

Pühringer kritisiert die Überweisungen. Er argumentiert, die Versicherten in Oberösterreich zahlen damit die wesentlich höheren Honorare der Wiener Ärzte.

Es gibt in Oberösterreich auch einen Finanzausgleich zwischen den kleinen Gemeinden und den größeren Städten.

Linz ist damit nicht einverstanden.

Pühringer steht zu diesem Ausgleich zwischen den Gemeinden. Der Ausgleich ist keine Erfindung von uns.

Der Landeshauptmann tritt weiters für die Finanzierung des Gesundheitssystem aus einer Hand ein. Derzeit begleichen die Krankenkassen die Rechnungen der Ärzte und das Land und die Gemeinden die Abgänge der Spitäler. Ich vermute, Sie halten nicht viel von Pühringers Vorschlag.

Pühringer ist so weit gegangen, dass er uns angeboten hat, wir sollten den gemeinsamen Topf übernehmen, um die Finanzierung aus einer Hand sicherzustellen. Nicht einmal in diesem Fall wollen wir das. Denn das ist ein Hinwegtäuschen über die Probleme. Die Kraft liegt in der vernetzten Versorgung in der Landschaft, wie man das am Beispiel der Bekämpfung von Diabetes sehen kann.

Sie meinen, dass eine gute Gesundheitsversorgung weiterhin möglich ist, auch wenn man nichts ändert.

Ich glaube schon. Die Gesundheitsreform mit den Zielsteuerungen steckt noch in den Kinderschuhen. Jeder von uns hat die Dinge, die ihn schon 30 Jahre und länger beschäftigen, auf den Tisch gelegt. Das wird man in den nächsten Jahren in einem ständigen Prozess abarbeiten müssen.

Das werden nicht die großen Schlagzeilen sein. Es wird mehr um die Übergänge gehen. Wenn zum Beispiel jemand aus dem Spital kommt und einen geordneten Übergang benötigt. Dass der Patient einen Pflegeplatz bekommt oder zu Hause von einer mobilen Betreuung versorgt wird. Hier soll es maßgeschneiderte Modelle geben. Und wir sollen in der Lage sein, uns das auch leisten können.

Die Aussagen von Landeshauptmann Josef Pühringer zur Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte auf 520 Euro im KURIER-Interview vom vergangenen Sonntag stoßen auf Kritik von SPÖ-Sozialsprecher Peter Binder. "Auch Pühringer spielt die Ärmsten der Armen gegeneinander aus. Wieder muss als Argument herhalten, dass die Differenz zu niedrigen Erwerbseinkommen und Pensionen zu gering sei."

Die für die ÖVP logische Schlussfolgerung: Die Mindestsicherung müsse gekürzt werden, beginnend bei den Asylberechtigten, denn sonst gäbe es in der Bevölkerung keine Akzeptanz für die Aufnahme von Flüchtlingen.

"Ein Trugschluss, dem sich Pühringer da hingibt, weil er die falsche Frage stellt", so Binder. Die Frage für sozialen Zusammenhalt laute: Welche Mindestausstattung braucht ein Mensch, um sich in Österreich in die Gesellschaft integrieren und gleichberechtigt an ihr teilhaben zu können?

"Ich gestehe Pühringer aber zu, dass die Differenz zwischen dem, was Menschen durch Arbeit mindestens an Lohn oder Pension verdienen können, und dem, was sie in Österreich mindestens zum Leben brauchen, zu niedrig ist. Deshalb setzt sich die SPÖ auch ständig für eine Erhöhung der Mindestlöhne ein und kämpft gegen die Pensionskürzungsideen."

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