Gang der SPÖ in Opposition wäre "verantwortungslos" gewesen

Landtagspräsident Illedits sieht sich nicht als Kronprinz von Niessl und sorgt sich angesichts der Flüchtlingsströme ums soziale Gefüge
Nach 12 Jahren als SPÖ-Klubchef ist der 57-jährige Draßburger seit Juli erster Landtagspräsident.

KURIER:Als Ihr Vorgänger Gerhard Steier aus der SPÖ ausgetreten ist, hat er die Glocke des Präsidenten mitgenommen. Haben Sie schon eine neue?Christian Illedits: Im Büro habe ich zehn neue Glocken als Geschenk. Im Landtag verwende ich aber wieder das Original. Diese Glocke hat einen viel helleren und schöneren Klang als die von Steier, die von seinem Vorgänger war.

Sind Sie noch per Du?Wir haben seither nicht miteinander geredet, er hat mir das Du-Wort nicht entzogen, ich ihm auch nicht.

Glauben Sie Steier, dass er mit Rot-Blau ein Problem hatte?Kein Kommentar.

Hatte er mit seiner Kritik, der SPÖ diene die rot-blaue Koalition nur als Vehikel zum Machterhalt, nicht recht?Es wäre verantwortungslos gegenüber Wählern und Land gewesen, als 42-Prozent-Partei in Opposition zu gehen. Wir sind mit der FPÖ ein Arbeitsübereinkommen eingegangen. Es gibt keinen ideologischen Zusammenschluss, aber wir haben die gleichen Ziele für die Menschen im Land.

Die lassen sich mit der15-Prozent-Partei FPÖ leichter umsetzen als mit der doppelt so starken ÖVP......Leichter würde ich so definieren, dass die FPÖ vorurteilsfreier ist. Dort gibt es keine eingefahrenen Strukturen, die im Weg stehen.

Die Blauen stehen sich mitunter selbst im Weg. Wurde die dritte Landtagspräsidentin Ilse Benkö nach dem Abstimmungspallawatsch gerüffelt? Sie sitzt auf einem SPÖ-Posten.Das war kein Pallawatsch, alles war rechtens. Abstimmungen wurden auch schon unter rotem oder schwarzem Vorsitz wiederholt.

Die Opposition hat den Verfassungsgerichtshof angerufen. Ich denke, der Beschluss wird halten. Das haben mir unsere Juristen gleich nach der Abstimmung versichert.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Rudolf Strommer? Er war jahrelang Ihr Gegenüber als ÖVP-Klubchef, jetzt als 2. Landtagspräsident.Da hat sich nichts verändert, auch wenn wir politisch fast nichts mehr miteinander zu tun haben. Der zweite Präsident hat außer in der wechselnden Vorsitzführung im Landtag keinerlei Agenden, die liegen bei mir.

Wie legen Sie Ihr Amt an?Ich weiß, wo meine politische Heimat ist und bin stolz auf sie. Aber als Präsident versuche ich für alle Abgeordneten gleichermaßen da zu sein und hoffe, dass mir das in der Vorsitzführung gelingt.

Braucht es drei Präsidenten?Die Parteienverhandlungen im Zuge der Verfassungsreform vor einem Jahr haben das ergeben.

Gibt es eine Reform der Reform? Die LBL will, dass zwei Mandate für den Klub reichen.Es liegen schon Anträge auf dem Tisch. Für eine neuerliche Reform bräuchte es wieder ein Paket, darüber wird frühestens am Ende der Legislaturperiode diskutiert.

Ab 2016 werden Landtagssitzungen live im Internet übertragen – nicht archiviert. Fürchten Sie Hoppalas der Mandatare?Der Live-Stream soll die Landtagssitzungen zu den Menschen, mehr Information und Transparenz bringen. Niemand archiviert das für längere Zeit. Und Hoppalas, wenn solche passieren, verbreiten sich so und so.

Was qualifiziert jemanden zum Landtagsabgeordneten? Das Kriterium ist, gewählt zu werden. Eine Partei wird sich gut überlegen, wen sie aufstellt. Man muss politisches Talent haben und bei den Leuten ankommen. Wenn man schon anderswo eine Wahl bestanden hat, etwa als Bürgermeister, empfiehlt man sich manchmal auch für höhere Aufgaben.

Sie haben das Land jahrelang in der EU im Ausschuss der Regionen vertreten. Bleibt es dabei? Sehr gerne. Ich habe in den vergangenen Jahren ein Netzwerk aufgebaut, das ich im Interesse des Landes intensivieren möchte. Gerade in Zeiten der Flüchtlingskrise sind die 250 Regionen Europas gefordert.

Was muss geschehen? Wir brauchen ganz schnell Hotspots zur Registrierung an EU-Außengrenzen und die solidarische Verteilung in Europa. Die EU und die internationale Staatengemeinschaft müssen die Türkei aber auch andere Länder finanziell unterstützen, damit sich die Flüchtlinge nicht mehr auf den langen Marsch nach Westeuropa machen.

Wenn das nicht klappt, soll Österreich dann die eigenen Grenzen sichern? Sollen wir uns gegen Ungarn absichern? Wer bei der Fahrt übers Meer sein Leben riskiert, lässt sich nicht mehr aufhalten. Zäune sind nur ein schwaches Signal an die Bevölkerung.

Heuer werden rund 95.000 Asylanträge erwartet, wie viele Jahre kann Österreich solch einen Zustrom verkraften? Ich kann mir schwer vorstellen, dass unser soziales Gefüge das über mehrere Jahre aushalten würde.

Europa funktioniert nicht mal im Kleinen: Bei der Zusammenarbeit mit Ungarn hapert’s. Die vor zwei Jahrzehnten gegründete Euregio existiert de facto nicht mehr, in der Flüchtlingskrise gab’s spärliche Informationen. Auch wenn wir das Vorgehen von Orban (Viktor, ungarischer Premier, Anm.) nicht akzeptieren können, bin ich unbedingt für die Pflege nachbarschaftlicher Beziehungen. Und es gibt die territoriale Zusammenarbeit im Rahmen gemeinsamer EU-Projekte. Aber man muss sehen, dass Ungarn zentralistisch aufgebaut ist, alle Entscheidungen fallen in Budapest. Auch unsere Nachbar-Komitate haben weder Macht noch Geld.

Ist Landtagspräsident Ihr Traumjob? Ich bin mit meiner jetzigen Aufgabe sehr glücklich.

Sie gelten auch als einer der möglichen Niessl-Nachfolger. Für diese Position wird die SPÖ zu gegebener Zeit jüngere und hervorragende Kandidaten präsentieren.

Vielleicht bald – man hört, Niessl werde als Bundespräsidentschaftskandidat gehandelt? Ich wünsche ihn mir weiter als Landeshauptmann – das heißt nicht, dass er kein guter Kandidat wäre.

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