Eine glitzernde Parallelwelt mit Schönheitsfehler

Viele der Einkäufer zeigten sich erschüttert: "Es ist so arg, dass es ausgerechnet hier passiert ist."
Lokalaugenschein beim Late Night Shopping im Outlet Center in Parndorf: Dominierte der Kaufrausch – oder die Betroffenheit?

Es scheint, als wäre nichts Besonderes geschehen: Zwischen den pastellfarbenen Geschäftsfassaden drängen sich die Menschen. Einige sitzen in der Sonne und essen Burger. Andere stehen Schlange vor Geschäften, Bankomaten und Getränkeständen. Die Sonne scheint, es duftet nach Mehlspeisen, von irgendwoher tönt Rockmusik.

Ein scheinbar perfekter Nachmittag – jedoch mit Schönheitsfehler: Nur wenige Hundert Meter entfernt wurde am selben Tag ein Lkw mit 71 toten Flüchtlingen an Bord gefunden. Dominiert dennoch der Kaufrausch – oder herrscht Betroffenheit? Ein Lokalaugenschein im "McArthurGlen Designer Outlet" in Parndorf.

Inmitten des Trubels sitzen zwei Verkäuferinnen auf einer Bank und rauchen. Sie machen Pause von ihrem aufreibenden Arbeitstag: "Die Leute wollen einkaufen – und das ohne Rücksicht auf Verluste", sagt eine der beiden und lacht.

Ob sie von den toten Menschen gehört habe? "Ach ja, das mit den Illegalen", entgegnet sie. Eben habe ihr eine Kundin davon erzählt. Beschäftigt das Thema die Besucher, hält es gar vom Einkaufen ab? Sie zieht an ihrer Zigarette und denkt nach. "Das glaube ich nicht. Die sind einfach im Kaufrausch", erwidert sie schließlich.

Die Betreiberin eines Brezelstandes schätzt die Situation ähnlich ein: "Schauen Sie, hier sind so viele Touristen. Die kriegen das doch gar nicht mit."

"Ausgerechnet hier"

Doch was ist mit den Österreichern? Natalie, Kathrin und Christoph sind guter Dinge: Sie sind aus Niederösterreich angereist und freuen sich darauf, günstige Taschen und Uhren zu erstehen.

Angesprochen auf die Flüchtlinge, entgegnet Kathrin zögernd: "Irgendwie ist das Thema schon anstrengend, man hört ja kaum noch etwas anderes in den Medien." Nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: "Aber natürlich ist es wirklich arg, dass das ausgerechnet hier und heute passiert ist."

Melanie und ihre Cousine Jasmin sitzen in einem Gastgarten und erholen sich bei einem Getränk von ihrer Shoppingtour. Sie kamen bereits in der Früh aus der Süd-steiermark nach Parndorf. "Bald werden wir glücklich nach Hause fahren", sagen die Cousinen. Sie ergatterten Taschen, Schuhe und Sportbekleidung.

"Das ist voll schiach"

Sie scherzen und lachen – doch als die Sprache auf die toten Flüchtlinge kommt, werden sie sehr ernst. "Wenn man darüber nachdenkt: Hier kaufen die Leute ein – und dort sterben sie. Das ist voll schiach", sagt Jasmin. Ihr Freund habe sie zu Mittag angerufen und ihr von der Tragödie berichtet: "Sonst hätten wir es vielleicht gar nicht mitbekommen. Das hier ist ja schon irgendwie wie eine Parallelwelt."

Sehr betroffen zeigen sich auch die Ärztin Kathi und die Studentin Lili. Bei der Anreise beobachteten sie, wie der Lkw von der Autobahn abtransportiert wurde. "Wir waren schockiert", sagt Lili. "Es ist so furchtbar, so schrecklich, so grauenhaft", ergänzt Kathi. "Dort fallen die Bomben, sie haben keine Chance. Hoffentlich passiert so etwas nie wieder."

Dass aufgrund der Tragödie das gesamte Rahmenprogramm der Shoppingnacht abgesagt wurde, ärgert die Freundinnen nicht – im Gegenteil: "Das finde ich richtig und pietätvoll", betont Kathi. "Dass man die Einkaufsnacht selbst nicht absagen kann, ist ja klar. Immerhin kommen viele Touristen extra deshalb her. Aber dass man auf die Unterhaltung verzichtet, stört mich nicht."

"Ein Zeichen setzen"

Die Mitarbeiter im Management Center sind am Abend ebenfalls sichtlich mitgenommen: Gegen Mittag habe man davon erfahren, erzählt Manager Mario Schwann. Da war die Veranstaltung freilich schon in vollem Gange. "Aber man muss ein Zeichen setzen, es ist einfach so tragisch", sagt Schwann. Daher entschied man eben, sämtliche Feierlichkeiten rund um die Einkaufsnacht abzusagen.

Als man zum Abschied noch einen erfolgreichen restlichen Abend wünscht, entgegnet eine Mitarbeiterin: "Eigentlich ist das heute nicht das Wichtigste."

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