Augen für die Retter der Nacht

Klagenfurts Stützpunktleiter Michael Umschaden wird mit seinen Kollegen 47 Piloten und 200 Flugretter auf die Nachtsichtbrillen schulen
"Gelbe Engel" stellen sich auf 24-Stunden-Betrieb ein / Klagenfurt als Vorreiter.

"Setz auf, den Helm!", sagt Michael Umschaden, zieht den Autor des Artikels im Hort des Christophorus-Rettungshubschraubers C11 in Klagenfurt in einen stockdunklen Raum und schließt die Türe. Der Pilot und Stützpunktleiter klappt eine Art Fernglas vor die Augen des Schreibers und plötzlich werden in dem Kammerl grün-weiße Bilder von in Regalen eingeschlichteten Helmen, Schutzanzügen und Notfall-utensilien sichtbar. Zweidimensional, aber überraschend scharf und detailliert. "Die Phosphorlinse verstärkt Lichtpunkte tausendfach – damit siehst in der Nacht jeden Grashalm. Das ist die Zukunft der österreichischen Flugrettung."

In Klagenfurt ist es die Gegenwart, denn hier sind Piloten sowie Flugretter bereits mit den 9000 Euro teuren Nachtsichtgeräten ausgestattet, der Hubschrauber wurde umgebaut und die "Augen der Nacht" kommen tatsächlich zum Einsatz.

Österreichweit werden in den nächsten Monaten alle 47 ÖAMTC-Piloten und die 200 Flugretter mit den Brillen vertraut gemacht; damit sind die Voraussetzungen für einen 24-Stunden-Betrieb geschaffen.

Einen Schritt voraus

Dass der Klagenfurter Stützpunkt den anderen einen Schritt voraus ist, hängt mit der Snowboard-Weltmeisterschaft 2015 am steirischen Kreischberg zusammen. "Da es dort viele Nachrennen gab und der Veranstalter die medizinische Sicherheit gewährleisten wollte, wurde der C11-Hubschrauer umgerüstet und wir Kärntner erhielten die Einschulung für die NVG-Brillen (Night Vision Goggles, Anm.), die früher nur Militär und Exekutive vorbehalten waren", erzählt Umschaden. Er arbeitete bis 2002 selbst als Militärpilot und ist seitdem ausgebildeter "Nachtschwärmer".

Jedermanns Sache ist das Gerät allerdings nicht. Die 700 Gramm, die die Brille zusätzlich zum Helm wiegt, machen sich rasch im Genick bemerkbar. Auch die Augen beginnen ob des ungewohnten Bildes zu schmerzen. Das Sichtfeld erweist sich auf 40 Grad eingeschränkt, die Tiefen- und Höheneinschätzung ist beeinträchtigt. "Der Kopf muss andauernd in Bewegung sein, damit der Pilot die Gegend scannen kann. Das Gehirn rechnet Größenverhältnisse um, weil es ja weiß, wie hoch ein Baum oder ein Haus ist. Daher ist eine umfangreiche Ausbildung erforderlich", klärt Umschaden auf.

Funktion als Co-Pilot

Umschaden, 47, wird die Schulungen mit seinen Kollegen, Gerhard Brunner und Bernd Schweiger, durchführen. Flugretter werden ebenfalls mit dem NVG-Gerät ausgestattet und haben künftig als Co-Piloten unterstützende Funktion bei der Hindernis-Erkennung.

Die Klagenfurter Christophorus-Crew darf unterdessen im Gegensatz zu anderen Mannschaften im Land die Regel brechen, wonach die Landung am Einsatzort vor Untergang der Sonne erfolgt sein muss. "Es gab Flüge bei Nacht in entlegene Gebiete, da haben wir aufgrund unserer Ausrüstung eine Sondergenehmigung erhalten", erklärt Umschaden.

Die Umrüstung aller 15 Christophorus-Stützpunkte wird 2016 abgeschlossen. Noch will die ÖAMTC-Zentrale nicht verlauten, wo und wann der 24-Stunden-Betrieb eingeläutet wird. Pro Stützpunkt ist mit zusätzlichen Ausgaben von 120.000 Euro pro Jahr zu rechnen. Damit wird es also zu einer politischen Frage, ob man bei der Rund-um-die-Uhr-Versorgung Ländern wie der Schweiz, den Niederlanden, Tschechien oder Polen folgt.

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