Gut eingefädelt
Das Kamptal ist berühmt für guten Wein. Doch deswegen sind wir nicht in Etsdorf. Unsere Fahrt endet vor einem Gebäude mitten im Ort. Man würde nicht vermuten, dass hier ein weltbekannter Polstermöbel-Produzent zu Hause ist. Doch das Türschild bringt Gewissheit: Wir stehen vor dem Firmensitz von Wittmann.
Die Bauvorlage liefern namhafte Designer wie Matteo Thun und Paolo Piva. Oder der berühmte Architekt und Pritzker-Preisträger Jean Nouvel, dessen Couch "Vienna“ auf dem Gang zum Probesitzen einlädt. Wittmann hält aber auch das Erbe historischer Gestalter aufrecht. Von Josef Hoffmann etwa, einem bedeutenden Architekten des vergangenen Jahrhunderts. Als einziger Hersteller baut Wittmann bis heute seine Möbel im Original nach.
"Das zu einem Korpus verschweißte Gerüst wandert in die "Begurtung“, wie sich die Abteilung nennt. Dort treffen wir Herrn Utzler, gelernter Polsterer und seit zehn Jahren bei Wittmann tätig. Er spannt ein Netz aus Gurten über das Stahlskelett "Bonnie“ und schwärmt dabei von seinem Job, der heute unter Jugendlichen wenig populär ist. "Eigentlich wollte ich Tischler werden. Doch dann habe ich meine Ausbildung bei Wittmann gemacht und das Handwerk der Polsterei gelernt. Das Tolle ist, dass dieser Job viele Bereiche abdeckt – auch die Schreinerei“, sagt er begeistert. Am Rande erwähnt er, dass auch seine Mutter hier arbeitet. Wie wir erfahren, ist seine Geschichte kein Einzelfall.
Endstation sind die Wohnzimmer privater Kunden. Oder öffentliche Räume. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon etwa möblierte sein Büro mit Wittmann. Auch Modedesigner Valentino setzt auf Polstermöbel aus Österreich und stattet seine Boutiquen in Kalifornien damit aus.
Der „Kubus“ ist bis heute eines der gefragtesten Modelle von Josef Hoffmann. Obwohl der Entwurf schon über hundert Jahre alt ist, stattet das Modehaus Valentino seine Boutiquen in Kalifornien damit aus. Das kubische Fauteuil wird seit 1970 vom heimischen Möbelbauer Wittmann reproduziert. Geplant war das nicht.
Eigentlich sollte ein italienisches Möbelhaus die Rechte erhalten. Die Vertreter reisten nach Wien, um Hoffmanns Witwe Carla die Pläne abzukaufen. Ihr rüder Auftritt ließ sie jedoch zweifeln. Auf Rat eines Freundes, dem Architekten Johannes Spalt, vertraute sie die Zeichnungen dem Möbelbauer Wittmann an. Seither werden Hoffmanns Modelle, die sich Fledermaus, Purkersdorf, Haus Koller, Armlöffel oder Kubus nennen, in Niederösterreich nachgebaut.
Hoffmann ist einer der wichtigsten Architekten und Designer des vergangenen Jahrhunderts. Neben zahlreichen Wohnbauten und Geschäftslokalen zählen das Sanatorium in Purkersdorf und das Palais Stoclet in Brüssel (beide wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts fertiggestellt) zu seinen bekanntesten Arbeiten. Außerdem begründete er 1903 die Wiener Werkstätte mit, für die er viele Produkte entwarf.
Mit der Reproduktion historischer Möbel hat sich Wittmann ein zweites Standbein aufgebaut. Mittlerweile finden sich auch Reeditionen des 1965 verstorbenen, österreichischen Architekten und Designers Friedrich Kiesler im Portfolio. Weitere sollen folgen.
Den gelben Stuhl „Fledermaus“ hat er 1907 für das gleichnamige Kabarett entworfen.
Der Slogan Ihres Unternehmens lautet „ein echter Wittmann“. Welche Ansprüche stellen Sie an Ihre Möbel?
Es muss gefallen. Neben dem Design ist der Sitzkomfort, der jedem gerecht werden muss, ein wichtiges Kriterium. Maßgebend ist auch die Qualität der Materialien, speziell der Lederhäute, sowie die Verarbeitung mit handwerklicher Präzision.
Ihre Designpolitik ist sehr reduziert. Woran liegt das?
Unsere Möbel halten vierzig bis fünfzig Jahre und länger. Da würde sich modisches Design widersprechen. Eines unserer wichtigsten Stücke – und zugleich eine Messlatte für unsere Designer – ist der Kubus von Josef Hoffmann: Er ist 102 Jahre alt. Der Entwurf könnte aber genauso gut von heute stammen.
Sie halten an traditioneller Handarbeit fest. Sind Sie damit konkurrenzfähig?
Die handwerkliche Fertigung bietet uns große Flexibilität. Wir arbeiten auftragsbezogen und können Wünsche erfüllen, denen die Industrie nicht nachkommen kann. Form und Größe eines Stücks können wir speziell an den Wunsch des Kunden anpassen. Nur bei Großaufträgen haben wir einen Nachteil: Industriell arbeitende Betriebe erreichen bei großen Stückzahlen eine Kostendegression. Bei uns funktioniert das nicht ganz. Dafür bekommt man bei uns eine höhere Qualität.
Sie pflegen ein qualitätsvoll-teures Images. Könnten Sie sich vorstellen, auch für weniger kaufkräftige Klientel Produkte anzubieten?
Den Begriff „teuer“ lehne ich ab. Wenn man die Lebensdauer unserer Möbel betrachtet, sind sie günstiger als ein Sofa, das nur 399 Euro kostet. Eine günstigere Produktion würde nicht unserer Philosophie entsprechen.
Welcher Gedanke prägt Ihre Unternehmensphilosophie?
Wir wollen in einem Qualitätsbereich arbeiten, der uns von der Wegwerfgesellschaft wegbringt. In Etsdorf etwa stehen vor jedem Haus drei Mistkübel. Was da alles hineingestopft wird, ist Wahnsinn. Wir sollten uns damit beschäftigen, Müll zu vermeiden und in langlebige Produkte investieren. Das gilt auch für Möbel. Obwohl das eine finanzielle Frage ist, kommen viele unserer Kunden aus dem Mittelstand. Sie sparen einige Jahre für ein Stück, weil sie die Qualität eines handgemachten Produktes schätzen.
Der Betrieb ist seit jeher in Familienhand. Wird das auch in Zukunft so sein?
Ja, wir haben vier Kinder, die das Unternehmen weiterführen werden.
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