Vielseitigkeit auf hohem Niveau
KURIER: Einer ihrer jüngsten Entwürfe ist das Sofa "Teo" für Moroso – welche Besonderheiten weist es auf und für wen ist es gedacht?
Aurel Aebi: Es handelt sich um ein variables Sofasystem, das große Spannweiten erreicht und unterschiedlich verwendet werden kann. Ursprünglich wurde es für öffentliche Gebäude geplant, daher ist die Formensprache reduziert und der Materialmix mit Leder, Marmor und Metall sehr hochwertig. Mit Kissen und Decken dekoriert erhält es einen wohnlicheren Charakter, sodass es auch ins Wohnzimmer passt.
Welche konstruktiven Herausforderungen liegen einem solchen System zugrunde?
Die Frage war, wie man das Multiplizieren der Beine bei großen Spannweiten verhindern kann. Die Lösung basiert auf einem Brückensystem aus eloxiertem Aluminium, auf dem die Polsterelemente und Ablageflächen verankert sind. Das sorgt für Stabilität und Flexibilität. Länge und Breite können unterschiedlich konfiguriert werden. So kann das Sofa am Meter entwickelt und das Fugenbild bereits in der Planung berücksichtigt werden.
Sie entwerfen nicht nur Einrichtungsgegenstände, sondern planen auch Gebäude. Sind sie für "Teo" aus Sicht des Architekten oder des Designers ans Werk gegangen?
Stellt man ein Möbel nicht bloß ins Haus, sondern plant man es mit ein, sieht man, wo Fugen und Dopplungen entstehen. Bei der Gestaltung von Messeständen konnten wir das Additive, das durch das Nebeneinanderstellen einzelner Möbel entsteht, sehr gut beobachten. Wir wollten diese Problematik lösen und haben ein Objekt entworfen, das über sich hinaus wächst und auf geänderte Bedingungen reagieren kann.
Wir haben unter anderem Spiegel mit einer Lederumrandung für Zanotta sowie Lampen für die Keramikmanufaktur Bitossi und den Glashersteller Venini entworfen. Für Driade ist der Holzstuhl "Embrasse" entstanden und für die Louis-Vouitton-Kollektion "Objets Nomades" eine Hängematte. Für Danese Milano haben wir Vasen und für USM Haller "Privacy Panels", raumtrennende Elemente, die in Büros Schutz bieten sollen, gestaltet.
Architektur, Design und Szenografie: Sie sind vielfältig tätig. Welcher Bereich steht im Vordergrund und welche Aspekte schätzen Sie am interdisziplinären Arbeiten?
Sie sind alle drei eng miteinander verbunden. Mal steht die Szenografie an oberster Stelle, dann kommen wieder mehr Design- oder Architekturthemen. Unsere Arbeit lebt von der Kreuzung dieser Gattungen. Man lernt von einem Beruf für den anderen. Und man verlernt, was man zu gut weiß. Das ist gut, denn sonst hinterfragt man nichts mehr. Wenn Menschen aus verschiedenen Berufsgattungen ein Thema beleuchten, entsteht eine Differenz – ein Zwischenraum, in dem Neues entstehen kann. Aus diesem Dazwischen schöpfen wir. Das Team fördert so Offenheit gegenüber andersartigen Themen und den Mut, Ungewohntes auszuprobieren.
Es gibt weder ein Richtig noch ein Falsch oder eine Lieblingsmeinung. Wir pflegen eine Überzeugungskultur. Man stimmt nicht darüber ab, wer was denkt, sondern versucht zu begründen, warum es etwa interessant sein könnte, in Räumen Brücken zu spannen. Das unterscheidet uns von Büros, bei denen die Ideensuche über die Linie geht. Sie designen in der Art, wie sie den Strich führen. Bei uns wird erst diskutiert, dann geplant.
Das "Atelier Oï" gilt als eines der besten Designbüros der Schweiz und wurde bereits mit zahlreichen Preisen und Auszeichnungen geehrt. Wie sehr freut Sie dieser Erfolg?
Armand Louis, Patrick Reymond und ich waren zu Beginn drei Gründerpartner. Heute, fast 25 Jahre später, zählen wir rund vierzig Mitarbeiter. Unsere Geschichte ist wie eine aufsteigende Spirale – wir sind jetzt auf dem Mond gelandet aber wissen nicht, wie man wieder runterkommt. Und eigentlich müsste man auch gar nicht wieder runter, wenn man immer weiter aufsteigt. Aber Erfolg funktioniert genau umgekehrt: Erfolg folgt, wenn man sich selbst folgt. Wir haben nie für die Anerkennung gearbeitet, sondern aus Freude an den Themen.
Ein schwieriges Thema ist, wie es in Zukunft weitergeht: Wie kann man einen wachsenden Prozess multiplizieren, ohne dass das Wesen verloren geht? Denn Seele lässt sich nicht multiplizieren. Wir haben alles selbst aufgebaut, ein Firmengebäude in einem alten Motel errichtet und Tausende Materialien sowie Prototypen in einer Bibliothek abgelegt. Wir haben unsere halbe Lebenszeit für das Atelier gearbeitet. Irgendwann müssen wir das alles übergeben. Wobei es hier nicht um eine einfach nachzubesetzende Managementposition geht. Wenn man nicht mehr da ist, wird das Unternehmen nicht ‚beseelt‘. Dann wird das Ganze zu einem Rezept das man nachahmt, dem aber die Seele fehlt.
Ihr Wunsch für die Zukunft?
Dass die Arbeit mit 65 noch nicht abgeschlossen ist. Es ist ein Lebensweg, der sich nicht trennen lässt. Wir möchten weiter Projekte zu dritt entwickeln und unsere Ideen teilen. Das zählt zu den wenigen Dinge, die sich verdoppeln, wenn man sie teilt.
Junge Leute singen heute unter der Dusche und morgen sind sie "Voice of Germany". Aber von dort kann man sehr hoch fallen. Es fehlen die Etappen, die früher gemacht wurden, die Erfahrungen, die man in seinen Rucksack packen konnte, um am Ende alles zu durchschauen. Mein Rat: Jeden Tritt der Leiter nehmen und versuchen, nah bei der Realität zu sein. Sonst ist das wie bei Facebook: Man hat tausend Freunde, aber sobald ein Problem auftritt, steht einem niemand zur Seite. Es ist heute wichtiger als früher, sich auf wahre Werte zu besinnen und sich nicht von schnellen Geschichten blenden zu lassen – auch wenn es cool ist. Das gilt übrigens auch für Medien: Es ist zwar super, wenn das Interview bereits eine Stunde nach dem Gespräch online nachzulesen ist. Aber eigentlich kann es so doch auch nicht gehen.
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