Spitzenleistung: Mies van der Rohe Award 2015

Spitzenleistung: Mies van der Rohe Award 2015
Wie wird in Spanien, in Polen oder Dänemark gebaut? Der Mies van der Rohe Award wirft einen Blick in die Ferne und zeichnet die innovativsten Bauwerke Europas aus.

Ein Atrium, ein Birkenbaum, und ein paar Räume, die rund um den Hof gestapelt sind – was sich mit so einfachen Worten beschreiben lässt, könnte der Beginn einer großen Karriere sein. Denn der Entwurf des Wohnhauses „Casa Luz“ wurde erst kürzlich mit dem Nachwuchspreis des Mies van der Rohe Awards prämiert. Jene Auszeichnung, die schon Namen wie Alvaro Siza, Norman Foster, Peter Zumthor oder Rem Koolhaas – heute allesamt Stars der Branche – hervorbrachte.

Der Wettbewerb gilt als Gradmesser für zeitgenössische Architektur und ist nach dem Pritzker-Preis die bedeutendste Ehrung in der planenden Zunft. Er wird biennal von der Europäischen Kommission und der Mies van der Rohe Fundació in Barcelona für Bauten vergeben, die in den zwei Jahren zuvor fertiggestellt wurden. 2011 ging er an David Chipperfield für den Wiederaufbau des Neuen Museums in Berlin. 2013 an das Konzerthaus Harpa in Reykjavik von Henning Larsen Architects gemeinsam mit Studio Olafur Eliasson und Batteríid Architects. Und 2015 erhielt die Philharmonie Stettin von Barozzi/Veiga den prestigeträchtige Award.

Dutzende weiße Spitzdächer ragen in der polnischen Stadt in die Luft und verleihen dem expressiven Bauwerk ein markantes Äußeres. Die Idee stammt vom spanisch-italienischen Duo Fabrizio Barozzi und Alberto Veiga. Die Fassade aus Milchglas ist durchlässig und wird am Abend von innen beleuchtet. So verändert das Stettiner Opernhaus sein Aussehen je nach Tages- und Jahreszeit.

Spitzenleistung: Mies van der Rohe Award 2015
Im Inneren gibt es einen für tausend Besucher ausgelegten Saal für sinfonische Musik, einen kleineren Kammermusiksaal und einen multifunktionalen Raum für Ausstellungen oder Konferenzen. Der große „Sonnensaal“ besticht mit einer hervorragenden Akustik. Dazu trägt die mit Blattgold überzogene Holzvertäfelung an Decke und Wände bei, die für eine gute Schallmischung sorgt. Im Kontrast steht der mit dunklem, fast schwarzem Holz ausgekleidete Kammermusiksaal, der als abgehängte Box weit in das offene Foyer hineinragt. Weite Aufgänge, eine Wendeltreppe aus gegossenem Beton und Oberlichten verleihen dem weiß gehaltenen Eingangsbereich zudem eine luftige Atmosphäre.
Spitzenleistung: Mies van der Rohe Award 2015
Rot und Weiß lautet das stringente Farbschema der „Casa Luz“, jenem Projekt in Spanien, das mit dem „Emerging Architect Special Mention Award“ (kurz: Nachwuchspreis) prämiert wurde. Aufgabe war es, das Innere eines bestehenden Wohnhauses komplett neu auszustatten. Die Außenfassade sollte dabei erhalten werden. Weiters schwierig war, dass das Zentrum des Hauses über keine natürliche Beleuchtung und Belüftung verfügte. Dieser Umstand, gepaart mit einem limitierten Budget, veranlasste Arquitectura G zu einer simplen Strategie: Das vorhandene Innenleben wurde komplett entfernt. Lediglich Steinfassaden und Grenzmauern blieben erhalten. Die neue Raumaufteilung basiert nun auf verschiedenen Ebenen, die sich um einen Innenhof samt Birkenbaum gruppieren. Vier Räume auf unterschiedlichen Niveaus sind die Funktionen Kochen, Wohnen und Schlafen zugeordnet.
Getragen wird das Ganze von einer weißen Metallkonstruktion. Rotbraune Keramikfliesen, die nach alter Tradition in der Region rund um Cilleros hergestellt werden, fungieren als Zwischendecke. Die Räume öffnen sich zum Garten und zum Atrium und sind großflächig verglast. Das einfallende Licht sorgt nicht nur für helle Räume, sondern verleiht auch den Materialien im Lauf des Tages unterschiedliche Nuancen.
Spitzenleistung: Mies van der Rohe Award 2015
Einen Gewinner zu ermitteln dürfte der Jury vermutlich nicht leicht gefallen sein. Denn das Preisgeld in Höhe von 60.000 Euro animierte viele, ihr Glück zu versuchen. 420 Einreichungen aus knapp 300 Orten in ganz Europa, darunter auch zahlreiche heimische Beiträge, erreichten das Komitee unter Vorsitz des Mailänder Architekten Cino Zucchi.
Die gute Nachricht: Wer sich einen Überblick über den Stand europäischer Architektur verschaffen will, muss nicht gleich ein Interrail-Ticket lösen. Derzeit gastiert nämlich eine Ausstellung in Österreich und stellt Gewinner, Finalisten und Nominierte anhand von Modellen, Plänen und Fotos vor. Gelegenheit dazu bietet sich im Architekturzentrum Wien – bis zum Ende des Sommers.

Bereits zum vierten Mal gastiert die Ausstellung des renommierten Awards in den Räumen des Architekturzentrum Wien (AzW) im MuseumsQuartier. Das Design der Ausstellung wurde heuer neu überarbeitet und um viele Elemente wie Videos, Originalskizzen sowie 1:1-Konstruktionselemente erweitert. Zu sehen sind die 40 Projekte der Shortlist, ergänzt durch die 23 Nominierungen mit österreichischer Beteiligung. Bis 29. August 2016, täglich von 10–19 Uhr, Museumsplatz 1, 1070 Wien. www.azw.at

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