Mein neuer türkischer Nachbar
Die Täter kamen bei Einbruch der Dunkelheit. Sie schmierten Hakenkreuze auf die Haustüre und zerstörten die Postkästen. Dann stiegen sie zwei Stockwerke hinauf, bis sie vor der Wohnung der türkischen Familie standen. Dort steckten sie die Türe in Brand und liefen davon.
Der Gemeindebau an der Jedleseer Straße 75–95 ist ein typischer Nachkriegsbau. Von 1945 bis 1955 wurden hier in Floridsdorf 1260 Wohnungen aus dem Boden gestampft. Viele Floridsdorfer sind in diesem Hof aufgewachsen und alt geworden, in den vergangenen Jahren zogen dann vermehrt türkische Familien ein. Ein Drittel der knapp 500.000 Wiener Gemeindebau-Bewohner hat einen Migrationshintergrund, das ist auch in Jedlesee nicht anders. Spannungen sind die Folge. Höhepunkt: Die Brandlegung im Winter 2011. "Das war der Zeitpunkt, wo wir gesagt haben, wir müssen etwas unternehmen", sagt Claudia Hagenauer, Teamleiterin der Wohnpartner 21. Mit ihrem Team betreut sie Gemeindebauten in Floridsdorf und rief in Jedlesee das Projekt "Von Nachbar zu Nachbar" ins Leben.
Konfliktpotenzial
"Viele Konflikte sind im Grunde Generationenkonflikte oder Lärmkonflikte", sagt Hagenauer. Dem kann Mieterbeirätin Herta Honer nur zustimmen. Seit 48 Jahren lebt die agile Pensionistin im Gemeindebau in Jedlesee, in ihrem Wohnzimmer werden bei Guglhupf und Kaffee Probleme besprochen. "Ich bin in Strebersdorf in einem Zinshaus aufgewachsen. Wie es dort zugegangen ist – da ist es hier harmlos", sagt Herta Honer. Dennoch gebe es auch Ärger. "Eine Stiege weiter steht ein Fußballkäfig. Natürlich ist der laut. Aber als unsere Kinder jung waren, war es genauso laut." Auch Sperrmüll in Kellern oder die Nutzung der Grünflächen sorgen für Konflikte.
Manche Alteingesessene würden sich durch Migranten abgewertet fühlen, sagt Honer. "Zu meiner Zeit war es schwierig, eine Gemeindebauwohnung zu bekommen. Heutzutage zieht die Jugend lieber in eine Eigentumswohnung." Stattdessen kommen Migranten.
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