Kreatives Kraftwerk
Die Vorarlbergerin Carmen Pfanner kombiniert exquisite Stoffe und zeigt beeindruckende Möglichkeiten für die Gestaltung mit Textilien.
Draußen rauscht der Müllerbach, drinnen rattert die Nähmaschine. Carmen Pfanner sitzt an ihrem Arbeitstisch im ehemaligen Heizraum des Wasserkraftwerks Forach und schneidet eine Vorlage für die nächste Ausstellung zu. Die Sonne fällt durch die hohen Bogenfenster und bringt den roten Samt in ihren Händen zum Glühen. Früher wurde hier, bei niedrigem Wasserstand, Kohle zur Stromerzeugung für die Dornbirner Textilfabriken verheizt. Heute sprüht hier die Kreativität. Denn die Raumausstatterin und freie Künstlerin nutzt das geschichtsträchtige Haus als ihre Werkstatt.
In dem alten Gemäuer, das sie selbst renoviert hat, fertigt sie Unikate für den Wohnbereich: Vorhänge, Kissen, Tisch- und Bettwäsche, Plaids oder gepolsterte Wandtafeln, die als Lärmschutz dienen. Die Möglichkeit, mit Textilien Räume zu verändern, fasziniert sie besonders: "Jeder Untergrund – ob Samt, Seide oder Wolle – lässt Farbe anders wirken. Das ergibt eine enorme Palette an möglichen Variationen."
Ohne in Klischees abzurutschen, kombiniert sie althergebrachte Techniken wie Trapunto oder Smok mit ungewöhnlichen Materialen wie Latex, Acryl oder PVC-Folien zu Bildern, Objekten und Installationen. "Trapunto ist fast in Vergessenheit geraten. Man steppt Linien ab und stopft die Zwischenräume aus, sodass Formen und Figuren reliefartig aus dem Untergrund hervortreten. Taucht man es dann in Latex, erkennt man kaum mehr, dass es genäht ist." Zu ihrem Markenzeichen avancierten die von ihr erfundenen "Buddys". Das sind kleine, rund genähte Stoffstreifen, die eine Wölbung bilden und an Rosenknospen erinnern. Sie zieren Kissen wie Kunstwerke.
Die Liebe zu Nadel und Faden hat die 59-Jährige früh entdeckt: "Ich habe schon als Kind an der Nähmaschine meiner Mutter Puppenkleider genäht", erzählt sie. Nach ihrer Ausbildung stieg sie in die Textilindustrie ein. "Das war Nähen nach Vorgaben." Zum Ausgleich realisierte sie seit jeher selbstständige Arbeiten – und legte damit den Grundstein für ihre zweite Karriere. "Dass daraus Kunst wird, hat sich erst später entwickelt", sagt sie. 1996 machte sie sich selbstständig, kurz darauf folgten die ersten Ausstellungen u. a. in
Deutschland, Polen, der Schweiz oder Italien.
Der alte Heizraum bietet ihr genau die Ruhe, die sie zum Entwerfen braucht. "Am liebsten arbeite ich allein", sagt sie. In ihrem Atelier, ganz auf ihre Person abgestimmt, hat jedes Ding seinen wohldurchdachten Platz – und seine Funktion: "Nichts ist zum Spaß da", wirft sie ein und weist auf einen Setzkasten mit Buchstaben-Stempeln hin. Damit beschriftet sie Ordner, Schachteln und Arbeiten. "Aber nicht, weil ich keine schöne Handschrift habe, sondern weil ich gern ein bisschen altmodisch bin."
Ihr Faible für Ursprüngliches ist auch an den Wänden sichtbar, die bis auf Hüfthöhe vom Ruß geschwärzt sind. Diese Spuren versucht sie zu konservieren: "Ich habe die Rückstände fixiert, damit die Partikel lange haften bleiben." So erinnert das Innere auch heute noch an jene Zeit, als die Textilindustrie noch ein wichtiger Wirtschaftszweig Vorarlbergs war. Daran will Pfanner mit ihrem Handwerk erinnern: "Textilschulen sind heute wie Forschungsinstitute. Werkstätten verschwinden, dafür wird an neuen Fasern geforscht. Wenn nur noch die Idee zählt, aber nicht mehr die Umsetzung, führt das in eine Richtung, die nicht erwünscht ist."
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