"Kompatibel mit dem Stand vor 30 Jahren"
Sie haben mit dem Schweizer Designstudio "Atelier Oï" 55 Tischoberflächen entwickelt. Was ist daran neu?
Wir wollten nicht einfach etwas Neues dazu erfinden, sondern das Bestehende verbessern. Weil die alten Oberflächen nicht eins zu eins zu den Möbeln gepasst haben, haben wir einige aus dem Sortiment genommen oder neu interpretiert. In Summe ergibt das 90 Kombinationsmöglichkeiten von verschiedenen Materialien und Farben. Zum Beispiel erhält man nun Glas matt, glänzend oder geätzt. Neu sind auch Linoleum und pulverbeschichtete MDF-Platten in Buntfarben. Für den Wohnbereich stehen Holzoberflächen in Buche und Eiche zur Wahl, lackiert oder geölt in hellen und dunklen Tönen. Zu Hause benötigt man weichere Materialien als im Büro. Weil wir den Wohnbereich ausbauen möchten konzentrieren wir uns in letzter Zeit stark auf dieses Segment.
Könnte man nicht auch das Haller-Möbelsystem aus Holz fertigen?
Die Kontroverse Holz versus Stahl versus Kunststoff gibt es oft. Der Vorteil von Holz ist, dass es nachwächst. Aber die Frage ist, was man will. Bei Tischoberflächen etwa ist Holz positiv. Aber das Möbelbausystem könnte man nie so kompakt und präzise bauen, weil Holz ein Material ist, das arbeitet. Nach ein paar Jahren würde es nicht mehr passen. Jedes Material hat seine Vor- und Nachteile. Der Vorteil von Stahl ist, dass es in unserem Kulturkreis gut verfügbar und gut zu recyceln ist. Und es braucht weniger Energie in der Verarbeitung als Aluminium.
Ich vergleiche das mit Microsoft: Erst gibt es einen neuen Computer, dann ein neues Betriebssystem und dann braucht man wieder einen neuen Computer. Das Haller-System ist das Gegenteil: Es wurde einmal konzipiert und wird seither so weiterentwickelt, dass es für alte Kunden aktuell bleibt. Ein Stück aus den 1970er-Jahren kann man heute nahtlos erweitern. Jedes Teil ist kompatibel mit dem Standard von vor 30 Jahren. Das ist der Grund, warum wir daran festhalten und das System heute nach fast 50 Jahren immer noch besteht.
Wie kommt es, dass sich ein Büromöbel aus Stahl in jeden Wohnstil einfügt?
Es gibt lautes Design und zurückhaltendes Design. USM gehört zur zweiten Gruppe. Ein Klassiker wie das Haller-System kann sich einem anderem Stil unterordnen. Zum Beispiel einer Altstadtwohnung mit Stuck an der Decke: Die Reproduktion eines Gründerzeitmöbels sieht darin schnell komisch aus. Ein Klassiker, der nicht Bezug nehmen will, fügt sich hingegen gut ein. Das gleiche gilt für ein Chalet: Wer nicht nur Kuhfelle haben will, kann sich ein USM-Möbel aufstellen. Genauso im Fabriksloft, das ohnehin prädestiniert ist weil man das System bei ausreichend Platz unendlich ausbauen kann. Die Gefahr für ein Produkt wie unseres ist, dass es sich banalisieren kann, wenn man es zu oft an zu vielen Orten sieht.
Manche Designbüros agieren wie Verlage: Sie produzieren einen Bestseller nach dem anderen, da geht es um Show und um Namedropping. Daher kommt das Phänomen, dass Designer für vier, fünf Marken gleichzeitig tätig sind und dann auf der Möbelmesse in Mailand von einem Stand zum anderen laufen um ihre Stücke zu zeigen. Aber das war nie unser Ansatz. Wer mit uns zusammenarbeitet befasst sich tiefer mit der Materie als nur einen Entwurf zu skizzieren. Bei uns war Design immer klassisch, der form-follows-function-Gedanke steht an erster Stelle. Unsere Produkte werden mit viel Fingerspitzengefühl entwickelt – mit dem Fokus auf Qualität vor Quantität und Diversität.
Ist USM also durch und durch nachhaltig?
Ja, aus mehreren Aspekten. Zum einen wegen des zeitlosen Designs. Es verleiht unseren Produkten einen ideelen Wert und führt dazu, dass sie vererbt und von den Nachkommen geschätzt werden. Nachhaltigkeit bezieht sich aber auf den Produktionsstandort. Wir haben immer in Automation investiert, aber kaum Prozesse ausgelagert. Dadurch erreichen wir hier in Münsingen eine sehr hohe Fertigungstiefe. Der Rohstoff, den wir zur Herstellung verwenden, besteht zu 80 Prozent aus recyceltem Stahl. Und zuletzt spielt der Umweltschutz eine Rolle: Wenn wir Prozesse modernisieren versuchen wir das so effizient wie möglich zu gestalten. Ein Beispiel dafür ist unsere neue Pulverbeschichtungsanlage. Sie stärkt nicht nur den Produktionsstandort Münsingen, sondern braucht auch 35 Prozent weniger Energie als die Alte – das ist ein sehr großer Fortschritt.
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