
© Simon Bauer
Klassentreffen
Sie bieten Abwechslung, Freiraum und regen die Fantasie an: Der zweite Teil der IMMO-Serie präsentiert Bildungsbauten vom Gymnasium bis zur Universität, die nichts mit alter Schule zu tun haben. Dafür mit anregenden Ideen und innovativer Gestaltung.
Als die Schüler zum ersten Mal das neue Gebäude betreten haben, waren sie überrascht: Ein futuristisches Foyer, viel Tageslicht, ein luftiges Ambiente, keine klassischen Gänge. "Toll, das sieht gar nicht aus wie eine Schule, war zu hören", erzählt Architektin Sne Veselinovic. Das "Evangelische Realgymnasium (ERG) Donaustadt" im 22. Wiener Bezirk ist eines jener Projekte, die architektonischen Anspruch und Bildung vom Start weg zusammendenken. "Gute Schularchitektur sollte in der Lage sein, ein modernes pädagogisches Konzept in einen Raumkörper zu fassen", sagt Veselinovic.


Direkte Gartenzugänge und eine Terrasse ermöglichen Bereiche des Zusammenseins. Das Hauptgebäude ist mit drei zueinander verdrehten Clusterpavillons verbunden, in denen je ein Klassenverbund untergebracht ist. Jeder in einer anderen Farbe, um die Orientierung und Identifikation zu erleichtern. Veselinovic: "Unser Anliegen war, Räume zu kreieren, die unterschiedliche Lernsituationen ermöglichen und verschiedenartig erlebbar sind – je nach Tageszeit und Bedürfnis."
Das Beschriftungskonzept von Künstlerin Ingeborg Kumpfmüller unterstreicht den kreativen Zugang und bietet Denkanstöße. "Wie viele Engel haben auf einer Nadelspitze Platz?", fragt ein Text oberhalb des Eingangs zum Physiksaal. Das kindliche Streben, Neues zu entdecken, wird mit den Mitteln von Architektur unterstützt.

Neugierde schürt ein interessantes Schulgebäude gleich von außen. Wie bei dem "ERG Donaustadt" standen auch bei der "Berufsschule für Verwaltungsberufe" in der Wiener Embelgasse städteplanerische Überlegungen am Beginn. Während es bei Ersterem das umliegende Betriebsgebiet auszublenden und den Ort schulgerecht zu gestalten galt, befindet sich der Neubau von AllesWirdGut-Architektur inmitten von Gründerzeithäusern. Die Fassadengestaltung mit Lamellenstruktur erinnert an einen Setzkasten, in dem die Klassenräume untergebracht sind.

"Die Schule von morgen muss neue Formen der Pädagogik ermöglichen, auch außerhalb der dafür vorgesehenen Räume", meint Passler. Neben den klassischen Unterrichtsbereichen wurden flexible Zonen geschaffen, die für Gruppenarbeiten, Übungen oder Besprechungen dienen. Ein Innenhof und eine Terrasse sorgen für Freiflächen. "Architektur muss Schülern und Lehrern Rahmenbedingungen bieten, die Lebensqualität ermöglichen. Sie müssen sich wohlfühlen. Dazu gehören Licht, Ausblick, Behaglichkeit und Kommunikation."
Ein solcher Bau ist freilich mit einer Reihe an Anforderungen verbunden: Bodenbeläge sind festgelegt, Möbel müssen brandschutzsicher und vor Vandalismus gefeit sein. Dennoch war es für die Gestalter essenziell, flexible Lehr- und Lernsituationen zu ermöglichen.

Das Ziel einer variablen Nutzung verfolgten auch Karl und Bremhorst Architekten beim "Bildungszentrum Pregarten" (Oberösterreich). Die zu Clustern verbundenen Räume können unterschiedlichen pädagogischen Konzepten angepasst werden. So ist es im Bereich der Polytechnischen Schule möglich, zwei Klassen mittels Schiebewänden in eine große zu verwandeln. Zudem wurde auf eine wohnliche Gestaltung mit natürlichen Materialien geachtet.
Moderne Architektur bei Universitäten

In dem organisch geformten Bau sind zwölf Institute untergebracht, die Musik, Schauspiel und Tanz vermitteln. Die dynamische Lamellenfassade verkörpert bereits von außen Bewegung und erinnert an Instrumente wie Harfe oder Akkordeon. "Es ist eine musische Metapher, in die man viel hineininterpretieren kann", sagt Seyfert. Die Herausforderung, einen Passivhausbau mit komplexen akustischen Anforderungen in Einklang zu bringen, meisterte das 2006 gegründete Büro bravourös. Das Schleierelement der Fassade wurde auch im Inneren aufgegriffen: Eine selbst entwickelte gewellte Saalverkleidung ergibt eine ästhetisch wie klanglich gelungene Lösung.

"Innere Offenheit und Transparenz, eine hohe Qualität der Aufenthaltsbereiche und flexible Raumfolgen" machen für die 38-Jährige ein gelungenes Universitätsgebäude aus. Um Erstere zu gewährleisten, führt ein dreigeschoßiger verglaster Luftraum wie ein Fluss durch die Hochschule und erleichtert die Orientierung. Offene, geschwungene Galerien und verschiedene Aussichtspunkte sorgen für ein abwechslungsreiches Durchschreiten.

"Es ist wichtig, dass man Mut beweist und neue Konzepte zulässt. Universitäten sind Visitenkarten, sie dürfen auch so gestaltet sein", resümiert Seyfert. Sie sollen mutig, innovativ und intelligent sein – eben Schulen fürs Leben.
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