Essen mit Ausblick
Wäre es Eine herkömmliche Skihütte, würden hier Germknödel oder Spaghetti auf dem Teller landen. Stattdessen servieren Kellner im Anzug weißen Kaviar vom Alpino Stör oder im Heuöl konfierten Saibling. Gourmetküche statt Selbstbedienungsrestaurant – so lautet das kulinarische Konzept des ICE Q in Sölden. Das Haus auf dem Gaislachkogel bietet aber nicht nur genussfreudigem Publikum Abwechslung. Auch Architekturinteressierte finden hier auf 3048 Meter Seehöhe ein Gegenstück zur der sonst üblichen Bauweise alpenländischer Regionen Österreichs. Dafür verantwortlich ist der Innsbrucker Johann Obermoser. Der Architekt realisierte schon vor drei Jahren die Gebäudehülle für die neue Gaislachkoglbahn im Auftrag der Bergbahnen Sölden. Die Anlage, die zum ICE Q hochführt, wurde vor Kurzem mit dem BTV-Bauherrenpreis – eine der renommiertesten Auszeichnungen des Landes – geehrt. Mit dem Bau des Spitzenrestaurants will man an diesen Erfolg anknüpfen.
Von Juni bis Dezember 2013 wurde gebaut – und zwar in exponierter Lage auf einem äußerst schwierigen Untergrund. Jenseits von 3000 Metern Seehöhe taut der Boden nie auf, weshalb der Architekt eine Lösung für das Fundament auf dem Permafrostboden finden musste. Unter Rücksichtnahme auf das gefrorene Felskonglomerat und „um den Fußabdruck möglichst klein zu halten“, wie Obermoser erklärt, errichtete er die Grundfeste auf drei höhenverstellbaren Stützen, die im Bedarfsfall ein Nachjustieren erlauben.
Die Platzverhältnisse auf dem Gipfel stellten eine weitere Herausforderung dar. „Der ursprüngliche Entwurf sah ein viel kleineres Volumen vor. Die Küche war zwei Stockwerke unterhalb des Restaurants geplant. Die Gastronomen wollten die Bereiche jedoch auf gleicher Höhe. Also mussten wir breiter werden, haben Quader wie Eisblöcke übereinandergestapelt und in sich verschoben“, sagt der Planer. Die auskragenden Gebäudeteile laden nun als Sonnenterrassen zum Verweilen ein. Das Dach ist hingegen für jeden zugänglich: Über eine außen liegende Treppe gelangt man auf die Aussichtsplattform, von der ein Skywalk zum Gipfelkreuz führt.
Der Blick ist umwerfend und reicht von den zahlreichen Dreitausendern des Pitz-, Ziller- und Stubaitals bis zu den Dolomiten und die Zugspitze. Das animierte Obermoser zum fensterlosen Zugang in den ICE Q: „Man gelangt über einen Tunnel nach drinnen und erlebt dann den Wow-Effekt: Alles ist verglast und man kann von jedem Standpunkt aus die Berge genießen.“ Gleich beim Eingang befindet sich Österreichs höchster Weinkeller, wo sechs Barriquefässer Pinot Noir lagern. Daran schließt der Bar- und Restaurantbereich mit südseitiger Terrasse an. Darüber befindet sich die Lounge, die zugleich als Seminarraum dient.
Die Glasfassade stellt eine weitere Reminiszenz an die Naturkulisse dar: „Das Material soll den Gletscher und das Eisige wiedergeben“, sagt Obermoser. Zugleich ist die Verglasung an das Energiekonzept des Gebäudes gebunden. Über den Eintrag der Sonne wird geheizt und Warmwasser aufbereitet. Um im Sommer Überhitzung zu vermeiden, sind die Fenster außen leicht getönt. Die Berge spiegeln sich darin wider, weshalb der ICE Q ein gutes Fotomotiv abgibt.
Statt rustikaler Tische und Sessel, wie man sie sonst von Hütten kennt, griff Obermoser zu schnörkellosen Designmöbeln von Tom Dixon. Die Kupferlampen täuschen jedoch nicht über die Verbundenheit zur langen Tradition von Holz hinweg: Massive, unbehandelte Eiche findet sich an den Oberflächen sowie am Fußboden, der Decke und im Stiegenhaus wieder – mit dem Ziel, „dass die Materialien von selbst alt und edel werden“, wie er sagt. Das Holz soll abgenutzt, rissig und grau werden. Dann würde im Laufe der Jahre auch so etwas wie Hüttencharakter entstehen.
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Im Jahr 2010 wurde Johann Obermoser im Zuge der Neuerrichtung der beiden Bahnen auf den Gaislachkogl mit der Gestaltung der Gebäudehüllen betraut. Sein Entwurf aus transparenten Plastikplanen wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem alle zwei Jahre verliehenen BTV-Bauherrenpreis.
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