Initiativen zu ebener Erde

Initiativen zu ebener Erde
Die Schnittstelle zwischen öffentlichem Raum und privaten Wohnhäusern ist die Erdgeschoßzone. Die Bebauung auf Straßenebene einer neuen Nutzung zuzuführen ist vielen Hausbesitzern ein Anliegen. IMMO zeigt gelungene Projekte.

Das Althaus in der Märzstraße im 15. Wiener Gemeindebezirk war ein typisches Vorstadthaus. Grau, der Hof eine Betonwüste, die unteren Stockwerke ungenutzt. Kaputte Postkästen und beschmierte Wände luden nicht zum Betreten des Hauses ein.

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Häuser dieser Art zu sanieren und das Erdgeschoß nutzbar zu machen, bedarf kreativer Lösungen. Der Wiener Bauträger Hans Jörg Ulreich etwa hat sich dies zur Aufgabe gemacht. „Im Haus in Rudolfsheim-Fünfhaus ist eine Kellermaisonette entstanden“, erzählt er. Der Innenhof wurde abgesenkt. Das Souterrain wurde trockengelegt und in eine moderne Wohnung umgewandelt. Von dort gelangt man jetzt ebenerdig in den Lichthof, der bepflanzt wurde. Die Feuermauer des Nachbarhauses, die das Ensemble dominiert, wurde großflächig begrünt.

Kosten

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Das Teuerste an Modernisierungen in Althäusern dieser Art ist das Erdgeschoß. Besonders kostspielig wird die Sanierung dadurch, dass im Gegensatz zu den oberen Stockwerken im Erdgeschoß fast immer feuchtes Mauerwerk trockengelegt werden muss.
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Büro
Nur mithilfe von Spezialputzen und entsprechender Isolierung können die durch Feuchtigkeit geschädigten Wände dauerhaft saniert werden. „Auch in die Modernisierung von Lüftung und Heizung muss investiert werden“, sagt Ulreich und rät: „Bei den Installationen sollte man nicht Gips verwenden, da er Wasser anzieht.“

Die Stadt Wien fördert die Adaptierung von Erdgeschoß-Flächen mithilfe der Sockelsanierung. „Die Einleitung von Strom-, Sanitär-, Kanal-, Wasser- und Heizungsanschlüssen wird unterstützt, wenn das Haus instand gesetzt wird“, sagt Berthold Lehner vom Wohnfonds Wien. Ziel sei es, die Lebensqualität in dicht bebauten Gründerzeitvierteln zu steigern. Dafür werden Blocksanierungsgebiete definiert, derzeit betrifft das Teile von Simmering und Favoriten. Es gibt aber auch einzelne Liegenschaften, die blocksaniert werden. Ein Beispiel dafür ist das Althaus in der Hermanngasse in Wien-Neubau. Die Innenhöfe wurden neu gestaltet und im Dachausbau sind neue Wohnungen entstanden. Die ehemaligen Lokalflächen machten Platz für Kinderwagen- und Fahrradräume sowie zwei Wohnungen.

Urbanauts

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„Die neue Wiener Bauordnung, die zum Jahreswechsel in Kraft tritt, bringt mehr Flexibilität in der Nutzung von ebenerdigen Flächen“, sagt Gabriele Berauschek von der Wiener Stadtplanung. Geschäfte, Bildungsstätten und Arztpraxen mieten sich nur bei entsprechender Raumhöhe ein. Ziel der Novelle ist es, in neuen Stadtteilen mit großzügigen Raumhöhen im Parterre belebte öffentliche Räume zu schaffen.Das Büro „Urbanauts“, das sind die Architekten Theresia Kohlmayr, Jonathan Lutter und Christian Knapp, verfolgen dasselbe Ziel. Sie haben ein Konzept zur Belebung leerer Gassenlokale entwickelt.
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Ehemalige Geschäfte in Wieden wandeln sie in kreative Hotelzimmer um. „Geeignete Lokale zu finden ist die größte Herausforderung“, sagt Kohlmayr. Lage, Raumanordnung, Raumhöhe, Belichtung und Verkehrssituation müssen stimmen. „Wir kaufen diese Einheiten und sanieren sie umfassend. Böden, Wände und Fassadenelemente werden renoviert, Sanitäreinrichtungen installiert und Schall- sowie Sichtschutz-Paneele angebracht“, schildert Kohlmayr. Eine eigene Möbelkollektion wurde entworfen und in den Lofts umgesetzt. Mittlerweile gibt es vier Citylofts, wo einst genäht und gehämmert wurde, weitere sollen folgen.

In Wien stehen viele Geschäftslokale leer. Warum?

Wiens Gründerzeitbauten werden zwar seit den 1980er-Jahren im großen Stil saniert, allerdings betrifft dies meistens nicht die Sockelzone.

Was müsste getan werden, um die Flächen attraktiver zu machen?

Es gibt kaum Maßnahmen, die private Hausbesitzer zur Modernisierung der ebenerdigen Flächen verpflichten, obwohl die Häuser durch die klassischen Probleme wie Feuchtigkeit laufend an Wert verlieren. Um die Flächen zu vermieten, müssten sie saniert werden. Diese Investitionen wollen viele Vermieter nicht in die Hand nehmen. Hier mehr Anreize zu schaffen, wäre wichtig.

Wie könnten die leeren Lokale genutzt werden?

Hierzulande sind die Ideen zur Nutzung des Erdgeschoßes noch bescheiden. Sie beschränken sich auf die befristete Vermietung an Künstler und Kreative. Oft werden die ebenerdigen Flächen auch in kleine Garagen umgebaut, da es bei Dachausbauten die Verpflichtung zur Errichtung von Stellplätzen gibt.

Gibt es Positivbeispiele aus anderen Ländern?

Andere Länder zeigen vor, dass es auch anders geht. In Berlin etwa werden Parterre-Wohnungen für ältere Bewohner genutzt, die Barrierefreiheit in Verbindung mit den Hofflächen schätzen. Auch in Wien ist der Bedarf an seniorengerechten Wohnformen groß, in den vielen leer stehenden Lokalen könnten Wohngemeinschaften entstehen. In Luxemburg wird für lange leer stehende Flächen eine Steuer eingehoben.

Die Initiative www.freielokale.at ist die größte Plattform rund um leer stehende Geschäftslokale in Wien. Rund 700 verfügbare Flächen sind über diese Datenbank abrufbar. Standortsuchende werden intensiv unterstützt.

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