Design in Versen

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Clemens Auer will nicht nur gestalten, sondern auch Geschichten erzählen. Sein Entwurf einer Pinzette hat ihm soeben den renommierten Wallpaper* Design Award eingebracht.

KURIER: Sie kommen gerade aus London von der Verleihung des Wallpaper* Design Awards. Wie haben Sie die Veranstaltung erlebt?
Clemens Auer: Es war sehr spannend, Designer wie Philippe Starck, die man sonst nur aus Magazinen kennt, live zu erleben. Und es war toll, eine so große Fülle guter Arbeiten ausgestellt zu sehen. Überrascht hat mich, dass es weder eine Bühne noch einen Redner gab. Es war keine öffentliche Preisverleihung, sondern eine legere Party mit Ausstellung und Get-together.

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Prämiert wurde Ihre Pinzette "Tweezer". Was zeichnet den Entwurf aus?
Eine Pinzette wird im Design generell stiefmütterlich behandelt. Sie besteht immer aus zwei verlöteten Hälften und sieht seit Jahrhunderten gleich aus. Meine Überlegung geht von der Haltung von Daumen und Zeigefinger aus. Aus dieser intuitiven Geste habe ich ein Produkt abgeleitet, das mit minimalem Aufwand herzustellen ist. Es besteht aus einem einzigen geformten Metallband.

Warum ausgerechnet eine Pinzette?
Den konkreten Anlass weiß ich nicht mehr. Die Idee entstand aber weniger aus dem Bedürfnis heraus, ein Problem zu lösen, sondern mehr über die Beobachtung der Hand. Ausschlaggebend war die Erkenntnis, dass es keine Pinzette mit natürlicher Form gibt. Sie entwerfen sowohl Möbel als auch Gebrauchsgegenstände. Haben Sie eine Präferenz? Eigentlich nicht. Ein wichtiges Kriterium für mich ist, spannende Lücken zu füllen. Ich will nicht den dreitausendsten Stuhl entwerfen. Mich interessieren Bereiche, die noch nicht beackert wurden.

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Die Pinzette ist dafür ein gutes Beispiel. Gibt es weitere Produkte, auf die das zutrifft?
Ja, etwa die Leiter. Zum einen gibt es davon nur wenige gestaltete Modelle. Zum anderen habe ich überlegt, wie Steigen funktioniert und was der Unterschied zwischen den Stufen einer Stiege und einer Leiter ist. Das Hochsteigen auf eine herkömmliche Leiter verlangt das Vorsetzen des einen und das Nachziehen des anderen Fußes. Man kann es als vertikales Hinken beschreiben. Bei meinem Entwurf sind die Sprossen so versetzt, dass der Bewegungsablauf natürlicher wird. Die Abstände sind nicht zu groß und durch die Sprossensetzung können beide Füße gleichwertig vorgesetzt werden.

Was verbindet all Ihre Entwürfe?
Klare Linien und Minimalismus gepaart mit einem gewissen Maß an Verspieltheit. Ich würde meinen Stil unter dem Begriff "Poetisches Design" einordnen. Ich versuche, die Geschichte des Entwurfs lesbar zu machen. Die Geste, die dahintersteht, soll nach außen gekehrt werden.

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Welche Probleme muss man als Jungdesigner beim Schritt in die Selbstständigkeit überwinden?
Viel zu viele. Eine der größten Hürden ist es, Kunden zu gewinnen. Man muss aus der Schiene herauskommen, etwas nur für sich zu machen. Auch wenn man selbst Spaß am Produkt hat, am Ende soll es auch gekauft werden. Ein großes Ziel ist es daher, rentable Aufträge zu bekommen.

Ein Wunsch für die Zukunft?
Vom Design leben zu können. Leider ist das nicht einfach. Wer sich in der Branche selbstständig macht, ist frühestens ab dem sechsten, siebenten Jahr lebensfähig – und auch nur dann, wenn man sich auf Interior- und nicht auf Produkt-Design spezialisiert.

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Woran liegt das?
Einerseits gibt es sehr viele gute Leute. Zum zweiten ist es ein stark globalisiertes Business – schnell nach London fliegen ist ganz normal. Und zum Dritten ist die Bezahlung über Tantiemen problematisch: Man leistet die ganze Vorarbeit, ohne zu wissen, was am Ende dabei rausschaut.
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Der gebürtige Niederösterreicher studierte Industrial Design am FH Joanneum in Graz. Nach Abschluss seines Studiums 2007 und einigen Jahren Berufserfahrung gründet er gerade sein eigenes Büro. Für „Tweezer“, den Entwurf einer neuartigen Pinzette, wurde er vor Kurzem mit dem Wallpaper* Design Award 2015 ausgezeichnet.

www.clemensauer.com

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