Entdecker der Moderne

Im Jahr 1990 gründeten Christof Stein, Dagmar Moser und Markus Pernhaupt (v. li.) die Firma Lichterloh mit Geschäft in der Gumpendorfer Straße, die sich im Lauf der Jahre zu einem Vintage-Imperium bestehend aus Ramsch & Rosen, Glasfabrik und Schauraum in der Ankerbrot-Fabrik gemausert hat.
Heimisches Design des 20. Jahrhunderts fristet abseits des Jugendstils immer noch ein Schattendasein. Christof Stein,Dagmar Moser und Markus Pernhaupt von Lichterloh über fehlende Wertschätzung und die Zuversicht, mit der sie positiv in die Zukunft blicken.

KURIER: Ihr Unternehmen "Lichterloh" wurde 1990 als Plattform für Designstücke der Dreißigerjahre bis zur Gegenwart gegründet. Was trieb Sie damals dazu an?
Christof Stein: Mitte 1980, als der Jugendstil bei den Kunden sehr beliebt war, wurden viele Möbel, die formal nur annähernd dem Jugendstil entsprachen, einfach schwarz gebeizt. Wir wollten uns etwas überlegen, das die Welt bunter macht.

Markus Pernhaupt.
https://images.spunq.telekurier.at/46-70585095.jpg/138.226.389
KURIER/Gerhard Deutsch
Lichterloh…
Lichterloh
Markus Pernhaupt: Unsere Arbeit lässt sich auch nicht mit einem Wort beschreiben. Wir beschäftigen uns mit Design des 20 . Jahrhunderts, Antiquitäten, erstellen Gutachten und entwerfen Möbel. Vor knapp zwei Jahren haben wir unsere Verkaufsausstellung "Austrian Design 20/21" in der ehemaligen Ankerbrot-Fabrik eröffnet. Ein schöner Erfolg angesichts des Zweifels, der uns Anfang der 90er-Jahre entgegen gebracht wurde. Damals gab es Wetten, wie schnell wir wieder zusperren. Fast alle Möbelhändler handelten mit Exponaten aus dem Jugendstil oder davor – aber nicht aus der Zeit von 1920 bis 1970.

Warum glaubte man, Möbel dieser Zeit seien unrentabel?
Markus Pernhaupt:
Erstens sind die Stückzahlen aus dieser Zeit sehr niedrig. Zweitens waren die Materialien nicht so hochwertig wie etwa in Frankreich. Während die Franzosen Möbel aus Makassar herstellten, hat man hier in der Zwischenkriegszeit Buche verwendet und so bemalt, damit es wie Makassar aussieht. Heute hat das einen gewissen Witz, aber damals fand das niemand lustig. Drittens ist es Österreich nicht gelungen, eine eigene Linie abseits der internationalen Strömungen wie etwa Bauhaus in Deutschland oder Art déco in Frankreich zu finden.

Nun betreiben Sie Ihr Geschäft seit 25 Jahren und haben soeben die Wiener Würfeluhr fürs Handgelenk präsentiert. Ist das Interesse für heimisches Design gestiegen?

Christof Stein.
https://images.spunq.telekurier.at/46-70585119.jpg/138.226.386
KURIER/Gerhard Deutsch
Lichterloh…
Lichterloh
Christof Stein: Man kann das an einem Datum festmachen: Im Jahr 2000 haben wir 60 Garderobenständer der Wiener Stadthalle vor der Schrottpresse bewahrt, die wir dann bei Sotheby’s in London versteigert haben – und zwar so erfolgreich, dass sogar die ZiB in einer Live-Schaltung darüber berichtet hat. Das war die Ursprungsminute, in der auch wir verstärkt begonnen haben, uns für die Epochen nach dem Jugendstil zu interessieren.
Dagmar Moser: Wir wussten damals nicht, dass die Kleiderständer von Roland Rainer in den 50er-Jahren mitentworfen wurden. Das haben wir später recherchiert, weil wir verwundert waren, dass das Inventar der Stadthalle, die ja unter Denkmalschutz steht, verschrottet werden sollte. Auch wenn sich die Wertschätzung verbessert hat: Der Umgang mit der eigenen Moderne war vor Jahren viel schlechter. Durch die Aufarbeitung durch unsere – und auch durch andere Firmen – entstand ein Bewusstsein, dass es auch nach dem Jugendstil spannende Dekaden gegeben hat.

Wie sehr ist Möbeldesign in der Mitte der Gesellschaft angekommen?
Markus Pernhaupt:
Leider zu wenig. Ein Beispiel: Wenn der Schweizer ein Stück will, kauft er es zum angebotenen Preis. Bei uns dagegen führt man einen Kopfstand auf, damit man es billiger bekommt. Der Stellenwert hierzulande ist völlig anders. Mit Möbeldesign kann man die Menschen nicht so leicht enthusiasmieren. Da hat es die Kunstvermittlung in all den Jahren viel weiter gebracht.

Entdecker der Moderne
Lichterloh
Christof Stein:Es fehlt auch an Geschmack. Man muss sich nur ansehen wie viele Möbelhäuser es bei uns gibt, die auf Tausenden von Quadratmetern fragwürdiges Zeug verkaufen – damit lebt Österreich. Zum Glück wird das langsam etwas besser. Man erkennt, dass der Diskurs intensiver und die Kunden gebildeter sind. Dazu tragen auch Institutionen wie das Dorotheum und das Hofmobiliendepot entscheidend bei.

Wie bewerten Sie die gegenwärtige Situation heimischer Designer?
Christof Stein:
Trotz Förderungen, wie zum Beispiel von der Wiener Wirtschaftskammer, scheitert es oft daran, ein Unternehmen zu finden, das die Entwürfe produziert. Aber immerhin wird ein Teil verwirklicht und es ist schön, dass man die Ergebnisse haptisch angreifen kann. Wie etwa auf der Vienna Design Week. Dass dafür plötzlich Geld und Platz ist und dass die Wien Kultur einsteigt, ist ermutigend. Ich entdecke immer öfter Dinge, bei denen ich denke, in zehn bis 15 Jahren könnte das bei Lichterloh stehen.
Markus Pernhaupt: Es müsste auch mehr Firmen wie z. B. Wittmann geben, die den Mut haben einen Stuhl zu machen, unabhängig davon ob er erfolgreich wird oder nicht. Hätten wir in Österreich zehn solche Firmen, würde das den Wettbewerb ankurbeln. Jeder würde schauen, wo er den nächsten guten Entwurf herbekommt.

Dagmar Moser.
https://images.spunq.telekurier.at/46-70585096.jpg/138.226.396
KURIER/Gerhard Deutsch
Lichterloh…
Lichterloh
Dagmar Moser: Produzenten zu finden ist eines der Hauptprobleme junger Designer. Sie müssen ihren Entwurf in einer gewissen Stückzahl und zu einem gewissen Preis herstellen, damit er gekauft wird. Das ist ein heikler Pfad. Die Kreativität ist da, aber es muss auch was in die Kassa. Ruhm und Ehre sind zu wenig. Viele Junge ergreifen den Beruf, aber ob sie auch in 20 Jahren noch vom Entwerfen leben können, ist eine Frage unserer Gesellschaft – der Konsument lässt es zu oder nicht. Auch die öffentliche Hand könnte dazu beitragen, wenn sie heimische Produkte mehr bei sich platzieren würde. Design würde dadurch eine breitere Wahrnehmung erfahren. Der französische Präsident Mitterand ließ etwa die Privaträume im Élysée-Palast von Philippe Starck gestalten, der dadurch einen Karriereschub erfahren hat.

Ist eine typisch österreichische Formensprache erkennbar?
Markus Pernhaupt:
Eine eigene Formensprache wie die Japaner oder Skandinavier haben wir nicht. Da muss noch einiges passieren, um von einer österreichischen Schule wie im 19. Jahrhundert sprechen zu können. In Zeiten der globalen Vernetzung ist es überhaupt die Frage, ob sich nationale Strömungen noch einmal so etablieren können, wie das um 1900 war. Die Quelle der Inspiration hat sich immens vergrößert.
Christof Stein: Eine Gemeinsamkeit gibt es aber: Den Mut, etwas Witziges, Originelles zu machen. In diesem Punkt unterscheiden wir uns von deutschen Entwerfern, wo vieles so ernst und pur ist. Bei uns entsteht guter Humor – nicht in der Linienführung, aber durch die Idee am Objekt selbst.

Wie lautet Ihre Prognose für die Zukunft österreichischen Designs?

Das Lichterloh-Team in ihrem Showroom in der Ankerbrotfabrik: Christof Stein, Dagmar Moser und Markus Pernhaupt (von links).
https://images.spunq.telekurier.at/46-70585091.jpg/138.226.465
KURIER/Gerhard Deutsch
Lichterloh…
Lichterloh
Christof Stein: Zum einen leistet die Öffnung der EU einen großen Beitrag zur Multikulti-Gesellschaft. Jede Nation bringt etwas Eigenes, Neues ein. Zum anderen gibt es mehr und mehr Initiativen wie departure oder die Vienna Design Week, die junge Gestalter unterstützen. Und es gibt Unternehmer wie z. B. Das Möbel, die junge Entwerfer im Stillen fördern – einfach, damit das Ding entsteht, man es einmal ansehen und Geschmack unter die Leute bringen kann. Die heimische Designszene wächst von Jahr zu Jahr – das lässt sehr zuversichtlich in die Zukunft blicken.

www.lichterloh.com

Kommentare