Brauchen wir einen neuen Planeten?

ESA-Modell von einer Basisstation auf dem Mond.
Stephen Hawking sieht langfristig keine Zukunft auf der Erde. Was heimische Experten dazu sagen.

Die Menschheit müsse es schaffen, innerhalb der kommenden 100 Jahre einen fremden Planeten zu besiedeln – sonst sei sie verloren. Das sagte der berühmte Astrophysiker Stephen Hawking auf dem Starmus-Festival im norwegischen Trondheim. Als Zwischenschritte sollen innerhalb von 30 Jahren eine Mondbasis errichtet und bis 2025 eine Marsmission gestartet werden. Klimawandel, Asteroideneinschläge, Epidemien und das Bevölkerungswachstum könnten lebensfeindliche Bedingungen auf der Erde schaffen. Wird es tatsächlich so schlimm? Ein Faktencheck.

Brauchen wir einen neuen Planeten?
Physicist Stephen Hawking sits on stage during an announcement of the Breakthrough Starshot initiative with investor Yuri Milner in New York April 12, 2016. REUTERS/Lucas Jackson

Faktencheck Zeitplan

"Es gibt auf der Erde Probleme – Klimawandel, Pandemien. Aber die selbst gemachten Probleme lassen sich auf der Erde viel billiger lösen als mit einem fernen Planeten", sagt Prof. Wolfgang Baumjohann. Der Physiker und Weltraumwissenschaftler am Institut für Weltraumforschung in Graz hält Stephen Hawkings düstere Zukunftsvisionen für "Humbug". Wiewohl er den Zeitplan, Mond und Mars innerhalb von 100 Jahren zu erobern, als realistisch einstuft. Zudem schließt er nicht aus, dass in den nächsten Jahren ein lebensfreundlicheres Ziel als der Mars entdeckt wird. "Aber eine Massenumsiedelung ist praktisch unmöglich. Die NASA baut zwar schon größere Raumschiffe. Auch die Teleportation macht Fortschritte. Aber mit normalem Budget dauert das eben."

Faktencheck Klima

Seriöse Klimamodelle gehen – bei Einhaltung des Pariser Abkommens – von einer Erwärmung von ein bzw. zwei Grad Celsius bis Ende dieses Jahrhunderts aus. Den Untergang der Menschheit bedeuten Naturkatastrophen nicht. "Die Erde wird dann nicht unbewohnbar, aber es wird an vielen Stellen Schwierigkeiten geben", sagt Univ.-Prof. Helga Kromp-Kolb vom Institut für Meteorologie an der Universität für Bodenkultur in Wien. Die regionalen Unterschiede könnten zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen. Der Einsatz von Atomwaffen wäre für Mensch und Erde bedrohlicher als der globale Klimawandel. Sollte die Umwelt allerdings nicht ausreichend geschützt werden, sieht Kromp-Kolb langfristig ebenfalls schwarz für den blauen Planeten: "Wenn wir jetzt nichts tun, wird sich die Situation von sich aus ändern. Egal, was wir dann tun, wird die Erde tatsächlich einmal unbewohnbar."

Faktencheck Weltbevölkerung

Zum Jahreswechsel 2016/2017 lebten knapp 7,5 Milliarden Menschen auf der Welt. Die Vereinten Nationen prognostizieren für 2050 rund 9,7 Milliarden und für 2100 an die 11,2 Milliarden Menschen. Doch der Direktor des Wittgenstein-Zentrums für Demografie, Wolfgang Lutz, ist überzeugt, dass der Bevölkerungs-Gipfelpunkt 2050 bei rund 9,5 Milliarden liegen wird: "Auch die pessimistischsten Szenarien gehen nicht über 12 Milliarden hinaus. Das wird die Kapazität der Erde nicht überfordern." Zwar sei in Afrika noch kurzfristig mit einer Verdoppelung bis Verdreifachung der Bevölkerungszahl zu rechnen – "was die Menschen und ihre Umwelt dort belasten wird und weitere Migration auslösen kann" –, aber mit zeitlicher Verzögerung werde Afrika anderen Kontinenten mit einem Bevölkerungsrückgang folgen: "Je mehr in Bildung investiert wird, umso rascher." Auch in den heute entwickelten asiatischen Ländern sei die Geburtenrate auf rund 1,5 Kinder pro Frau gesunken (in unterentwickelten Regionen sind es bis zu sechs Kinder).

Faktencheck Epidemien

"Ein Erreger, der seinen Wirt sofort tötet, ist evolutionstechnisch eine Sackgasse", sagt Infektionsspezialist Univ.-Prof. Herwig Kollaritsch. "Die Natur hat es noch nie darauf angelegt, alle umzubringen. Jeder Erreger braucht ein Reservoir, um langfristig überleben zu können." Schwere Epidemien durch neue Erreger seien nicht auszuschließen: "Aber auch bei HIV /Aids hieß es anfangs, ein Drittel der Menschheit wird sterben, heute entspricht die Lebenserwartung von Infizierten jener von Gesunden." Und gegen Ebola stehen Impfstoffe vor der Zulassung. Allerdings: "Der größte Unsicherheitsfaktor ist der Mensch – im Labor könnten durchaus Erreger von bisher ungekannter Gefährlichkeit erzeugt werden."

Faktencheck Asteroiden

Von Kleinplaneten oder Planetoiden, die durchs Weltall rasen, geht eine Gefahr aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein großer Asteroid in den kommenden 100 Jahren die Erde trifft, ist jedoch extrem gering. "Es hat in der Vergangenheit Asteroiden-Einschläge gegeben, dass ganze Tier- und Pflanzenarten ausgestorben sind. Aber NASA und ESA überlegen schon, wie man die kaputt machen kann. Auch das ist viel billiger", entkräftet Weltraumwissenschaftler Baumjohann die Befürchtungen von Hawking.

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