Diabetes: Trotz besserer Medizin immer mehr Erkrankte

Alle 50 Minuten stirbt in Österreich ein Mensch an den Folgen von Diabetes
Die einzelnen Patienten haben weniger Spätschäden oder erst später - Doch die wachsende Zahl der Zuckerkranken läuft der positiven Entwicklung entgegen

Die moderne Medizin bekommt die Zuckerkrankheit immer besser in den Griff. Trotzdem steigt die Zahl der von Spätschäden Betroffenen. Der Grund liegt einfach in der stark wachsenden Zahl der Diabetiker, speziell der Typ-2-Diabetiker.

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Diabetes
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Extremes Übergewicht
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Schweinebraten / Roast pork
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Vorsorgeuntersuchung
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Diabetes
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Möglichkeiten zur Senkung des bei den Betroffenen krankhaft erhöhten Blutzuckerspiegels gibt es - auch weil die verwendeten Insuline und oralen Antidiabetika immer besser werden - seit Jahrzehnten. Doch mit dem längerfristigen Überleben liefen die Zuckerkranken in die mittlerweile viel größere Gefahr der Spätschäden hinein: frühe Atherosklerose mit Herzinfarkt, Schlaganfall, chronischen Nierenschäden, Netzhautschäden und arterieller Verschlusskrankheit in den Beinarterien. Mittlerweile sind die medikamentöse Behandlung hoher Cholesterinwerte, der Hypertonie und Lebensstilveränderungen (Rauchstopp, Bewegung) ebenso wichtig geworden wie die Blutzuckersenkung.

Doppeltes Infarktrisiko

Das hat auch seine Wirkungen gezeigt. In epidemiologischen Studien wurde belegt, dass noch 1990 rund 140 pro 10.000 Patienten und Jahr an einem Herzinfarkt starben, im Jahr 2010 waren es etwas mehr als 50. Ähnlich verlief die Entwicklung bei den Schlaganfällen. Immerhin haben laut einer groß angelegten Analyse, die im Jahr 2010 in der britischen Fachzeitschrift „The Lancet“ erschienen ist, Zuckerkranke etwa das doppelte Risiko für einen Herzinfarkt, das 2,3-fache Risiko für den Tod durch eine koronare Herzkrankheit und weisen auch eine um den Faktor 2,3 erhöhte Gefährdung für Schlaganfälle auf.

Während Typ-1-Diabetiker (insulinabhängiger Diabetes), bei denen die Krankheit zumeist schon in der Jugendzeit ausbricht, sofort auf Insulin angewiesen sind und dementsprechend bei guter Schulung oft sehr gut betreut sind, entwickelt sich Typ-2-Diabetes (nicht-insulinabhängier Diabetes) oft schleichend. Bei der Diagnose sind häufig bereits Spätschäden durch jahrelang zu hohe Blutzucker-, Blutdruck- und Blutfettwerte vorhanden.

Mehr Übergewichtige, mehr Diabetes

Für den individuellen Patienten ist die Entwicklung - so er sich an die entsprechenden Behandlungsempfehlungen hält - eindeutig positiv. Doch die Zahl der Typ-2-Diabetiker, bei denen die Krankheit durch Übergewicht etc. mitbedingt ist, steigt nämlich rasant. Aktuell gibt es weltweit mehr als 250 Millionen Zuckerkranke. Die Internationale Diabetes Föderation (IDF) prophezeit bereits 380 Millionen Menschen mit der Zuckerkrankheit für das Jahr 2025. Die Zunahme ist vor allem durch mehr Übergewicht und mangelnde körperliche Aktivität bedingt, was speziell zur Entwicklung von Typ-2-Diabetes anfällig macht.

In Österreich sind derzeit bis zu rund 650.000 Menschen und damit rund acht Prozent der Bevölkerung von Diabetes betroffen. Die Dunkelziffer ist hoch. Speziell der Ausbruch von Typ-2-Diabetes kann durch eine Lebensstiländerung zumindest hinausgeschoben werden. Ging man noch vor einigen Jahren von einem Anteil der Diabetiker an der österreichischen Bevölkerung von fünf bis sechs Prozent aus, wurden im aktuellen Österreichischen Diabetesbericht 2013 des Gesundheitsministeriums vom November vergangenen Jahres nunmehr die zitierten acht Prozent vermerkt. Nur bei rund 400.000 Betroffenen dürfte die Krankheit diagnostiziert sein.

Erhöhtes Krebsrisiko

Erst in den vergangenen Tagen publizierte Studien beweisen die gesundheitspolitische Brisanz: So hat eine am Montag vom britischen „Lancet“ veröffentlichte neue Analyse von 16 wissenschaftlichen Studien mit fast 900.000 Prädiabetes-Patienten ein auch um 15 Prozent erhöhtes Krebsrisiko ergeben. In den USA geht man bereits laut einer weiteren Anfang August publizierten Studie (ebenfalls im „Lancet“) davon aus, dass zwei von fünf Erwachsenen in den USA Diabetes entwickeln werden. Das Lebensrisiko für einen 20 Jahre alten Mann betrug 1985 bis 1989 20 Prozent, bei den Frauen 27 Prozent. Für 20-Jährige im Zeitraum 2000 bis 2011 betrug es bei den Männern bereits 40 Prozent und bei den Frauen 39 Prozent.

Der österreichische Diabetologe und lokale Kongressorganisator, Raimund Weitgasser, zur Größe des Problems mit der Zuckerkrankheit im 21. Jahrhundert: „Alle 50 Minuten stirbt in Österreich ein Mensch an den Folgen des Diabetes. Das summiert sich auf 10.000 Todesfälle jährlich. Jedes Jahr gibt es rund 300 neue Dialysepatienten (Diabetes-bedingtes Nierenversagen; Anm.), es gibt rund 2.500 Amputationen und rund 250 neue Erblindungsfälle.“

Sowohl die Zahl der Typ-2-Diabetiker („Altersdiabetes“) als auch die Zahl der Typ-1-Diabetiker nimmt in Österreich - wie auch in anderen Staaten - zu. Während ein Gutteil der Typ-2-Diabetes-Erkrankungen in seiner Entstehung durch den Lebensstil gefördert wird, ist viel weniger klar, warum auch der insulinabhängige Diabetes (Typ-1-; „juveniler Diabetes“) zunimmt. 1999 gab es in Österreich zwölf Fälle pro 100.000 Kinder unter 14 Jahren, 2007 waren es 18,4 pro 100.000.

Pickerl für Messgeräte?

Der boomende Markt für Diagnose-, Kontroll- und Behandlungskonzepte hat in den vergangenen Jahren zu deutlichen Verbesserungen geführt. Viktor Jörgens, Exekutivdirektor der EASD: „Noch nie gab es so viele Medikamente, die den Blutzucker senken.“ Doch auf der anderen Seite stellen die Diabetologen erhebliche Probleme bei technischen Geräten fest. „Wir brauchen Post-Marketing-Studien für Blutzuckermessgeräte und Insulinpumpen. Niemand weiß, ob sie nach einigen Jahren den Blutzucker noch genau genug messen bzw. die richtige Insulinmenge abgeben.“ Zur Sicherheit der Patienten sollte es auch regelmäßige Überprüfungen samt „Pickerl“ geben. Zu hohe Blutzuckerwerte sind ausgesprochen schädlich, Unterzuckerung kann tödlich verlaufen.

Die größten Fortschritte erwartet man sich in der nächsten Zukunft von der Genforschung. Jörgens: „Wir wollen endlich wissen, warum jemand ein junger Mensch Typ-1-Diabetes entwickelt, bei dem der eigene Körper die Inselzellen (Insulin-produzierende Zellen in der Bauchspeicheldrüse; Anm.) kaputt macht.“

Genetische Faktoren

Typ-2-Diabetes ist wiederum wahrscheinlich nicht eine einzige Krankheit. Auch hier dürfte die Prädisposition in den Genen liegen, ungesunde Lebensstilfaktoren fördern schließlich das Entstehen der Erkrankung. Hier gibt es heiße News. Der Experte: „Der bestbewertete Vortrag bei diesem Kongress kommt aus Dänemark. Es wird zum ersten Mal gezeigt, dass man mit einer Genveränderung rund zehn Prozent der Typ-2-Erkrankungen erklären kann.“ Das Gen dürfte mit der Insulinwirkung in Muskeln zu tun haben. Die Entdeckung wurde bei Grönländern gemacht.

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