Onlinerezepte: beliebt, aber ungesund

Viele können nicht einschätzen, ob Rezepte gesund sind oder nicht.
Auf der Suche nach Kochideen stöbern viele im Netz – und finden Zucker- und Fettbomben.

Es hat sich ausgeblättert. Zwar machen sich schicke Kochbücher in den heimischen Regalen immer noch recht appetitlich, doch in der Praxis hat sich das Internet zur beliebtesten Inspirationsquelle für Hobbyköchinnen und -köche etabliert. Eine aktuelle Marketagent-Studie für den britischen Starkoch Jamie Oliver unterstreicht das: Demnach suchen mehr als 50 Prozent der Befragten nach Rezepten im Netz. Das deckt sich mit Erhebungen der Stanford University aus dem Jahr 2012.

So weit, so praktisch. Aber kommt auf diese Weise auch vermehrt Gesundes auf den Teller? Und welche Auswirkungen haben klassische Rezeptempfehlungssysteme auf die Gesundheit der Menschen? Das haben Christoph Trattner, Dozent an der MODUL Universität Wien, der Informationswissenschaftler David Elsweiler sowie Simon Howard, Public-Health-Berater in England, analysiert. Die Forscher haben sich über ein Jahr lang die Daten hunderttausender Rezepte angesehen. Mit eindeutigem Ergebnis: Online-Rezepte sind ungesünder als Rezepte in populären Kochbüchern. Noch mehr: Sie sind sogar ungesünder als die Rezepturen vieler Fertiggerichte, welche immer mehr in Supermärkten angeboten werden.

Onlinerezepte: beliebt, aber ungesund

Hobbyköche am Werk

Dazu sollte man wissen, wie beliebte Plattformen funktionieren – untersucht wurden etwa Seiten wie Allrecipes.com, chefkoch.de und kochbar.de, eine deutsche Website mit über 400.000 Rezepten. User können sowohl Rezepte hochladen als auch downloaden, das Gros der Rezepte kommt von Hobbyköchen. "Da sind Kochlaien am Werk. Die finden dann etwa meinen Kaiserschmarren super und kochen das nach. Dabei ist auffällig, dass selbst Rezepte aus der gesunden Kategorie oft zu viel Zucker und zu viel Fett enthalten. Wenn man das an den Food-Standards der Weltgesundheitsorganisation WHO oder der UK Food Standards Agency misst, sind diese Rezepte nicht immer so gesund, wie man sich das wünschen würde." Die Krux: Weltweit gibt es immer mehr Fettleibigkeit – umso kritischer sei das zu betrachten.

Oft mangelt es an Kenntnis, meint Trattner: "Wir konnten feststellen, dass die meisten Menschen nicht wissen, was ungesund oder gesund ist. Viele können das nicht einschätzen". Das hängt damit zusammen, dass seitens der Wissenschaft keinen klaren Konsens zu gesunder Ernährung existiert. Einmal ist es der versteckte Zucker, dann ist es das Fett. Es gibt immer wieder einen anderen Bösewicht und neue Wahrheiten."

Ungesundes ist beliebt

Trattner und Elsweiler werteten weiters über eine Million Ratings (Bewertungen) und Bookmarks von zirka 100.000 Benutzern auf Allrecipes.com aus. Dabei zeigte sich, wie beliebt ungesunde Rezepte sind – sie werden besser bewertet und öfter gebookmarkt. "Wir haben festgestellt, dass die User Rezepte mit hohem Fettanteil, vielen Kalorien und viel Zucker bevorzugen." Das wiederum wirkt sich auf die Empfehlungs-Algorithmen aus: "Derzeit gängige Empfehlungssysteme empfehlen ungesunde Rezepte."

Die Forscher haben nun bei der renommierten World Wide Web Conference eine simple Methode vorgestellt, solche Algorithmen dahingehend zu verändern, dass diese gesunde Rezepte besser bewerten. "Und wir arbeiten daran, dass Benutzer ungesunde Rezeptbestandteile durch gesunde bereits beim Hochladen ersetzen. Etwa, indem weißer Reis mit Vollkornreis ersetzt wird."

Wo das Gemüse sanft im Wasser zieht, und das Steak in der Pfanne brutzelt, sind Geschlechterklischees nicht weit. Beispiel: Männer bestellen im Restaurant Braten, Beilagen und Bier, Frauen Hühnchen, Salat und Weißwein. Lässt sich das auf gängige Kochplattformen umlegen?

Das hat ein Team um Christoph Trattner von der MODUL University Vienna untersucht. Die Studie trägt den englischen Titel „Plate and Prejudice: Gender Differences in Online Cooking“ („Stolz und Vorurteil: Geschlechterunterschiede beim Online-Kochen“). Die Analyse der Rezepte auf der deutschen Plattform kochbar.de bestätigte so manches Geschlechterklischee. Etwa das Kochverhalten betreffend.

Männer lieben es kompliziert

Männer bevorzugen häufig kompliziertere Rezepte, Frauen praktische. Die Herren verwenden mehr Zutaten und zeitaufwändigere Rezepte. Männer kochen für besondere Gelegenheiten – „sie kochen, um zu beeindrucken“, so die Forscher. Frauen sind hingegen für den kulinarischen Alltag zuständig und setzen daher auf simple Kochrezepte.

Zudem konnten die Wissenschaftler zeigen, dass Männer vermehrt Fleischspeisen auftischen und beim Kochen gerne auf hippe und angesagte Küchenutensilien zurückgreifen. Und die Frauen? Die würzen subtiler.

Fazit der Forscher: „Es wäre für Rezeptplattformen durchaus sinnvoll, Männern Männer-Rezepte vorzuschlagen und vice versa“.

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