Typisch männlich, typisch weiblich?
Die Geschlechterrollen, die quer durch die Zeiten in unseren Köpfen sitzen, sind stereotyp. Stets erscheinen die Männer als Ernährer, die mobil waren, Handel oder Bergbau betrieben und sämtliche Erfindungen machten. Ihnen stehen die ewigen Hausfrauen am Herdfeuer gegenüber. Diese Rollenteilung ist aber falsch und geht auf das Ideal der bürgerlichen Gesellschaft des 18. und 19. Jahrhunderts zurück.
"Damals wurden in der sich formierenden bürgerlichen Gesellschaft die Geschlechterrollen neu besetzt: Männer wurden auf die Rolle des Familienoberhaupts und des Ernährers, Frauen auf die Rolle der Gattin, Hausfrau und Mutter festgeschrieben", sagt die Prähistorikerin. "Damit verbunden war auch die Vorstellung von einer gefährlichen Außenwelt, in der der Mann einer Erwerbsarbeit nachgeht, und von einer geschützten Innenwelt der Familie, in der sich die Frau um Kinder und Haushalt kümmert."
Bald galt dieses Geschlechtermodell als natürlich. Es wurde zum Leitbild aller Schichten – und unbesehen auf die Urgeschichte projiziert. Erst vor etwa 30 Jahren begann die Archäologie die angeblich ursprüngliche Rollenverteilung zu hinterfragen.
Einiges konnte mit Hilfe von Naturwissenschaften auch belegt werden: So ging man bei Höhlenmalereien bis vor kurzem ganz selbstverständlich davon aus, dass sie das Werk von Männern sind. Seit 2013 mehren sich aber Indizien, dass die altsteinzeitlichen Höhlenmalereien auch von Frauen gestaltet worden sind. Oft wurden Hände als Schablone auf die Wand gelegt, Farbe mit dem Mund auf die Fläche gesprüht und so ein Handnegativ erzeugt. Vermessungen ergaben: Drei Viertel der Handbilder in spanischen und französischen Höhlen stammen von Frauen, was es wahrscheinlich macht, dass sie auch andere Wandmalereien gestaltet haben.
Auch in Fridingen in Deutschland war ein Fund aus dem Jahr 1971 nur vordergründig eindeutig: In Grab 66 bargen Archäologen bei einem Toten ein Kurzschwert und ein Messer. In Grab 75 fanden sie bei der bestatteten Person Perlenketten, Ringe, eine Spindel und Schnallen. Logische Schlussfolgerung: Schmuck gleich Frau, Waffen gleich Mann. Nach der anthropologischen Geschlechterbestimmung aber stand fest: Der Schmuck gehörte einem Mann, die Waffen ein paar Gräber weiter einer jungen Frau.
In Stetten an der Donau war es ähnlich: Im Grab eines Mann aus der Jungsteinzeit entdeckte man eine verzierte Knochennadel. Schneiderte er Kleider? Im Grab daneben lag eine etwa 30 Jahre alte Frau. Eine Feuersteinklinge, geschliffene Knochenspitzen und ein Schleifstein dicht daneben. Stellte sie Werkzeuge her? Die schwer beanspruchten Knochen beider Skelette – bei ihm Oberkörper und rechter Arm, bei ihr Schienbein und Elle – würden zu solchen vorgeschichtlichen Berufsbildern passen.
Epoche der Frau
Ob es je eine "Epoche der Frau", eine Zeit, in der Frauen das Sagen hatten, gab, muss für die Urgeschichte unbeantwortet bleiben, meint Röder. Archäologische Quellen wie Steingeräte, Keramikscherben und altsteinzeitliche Frauenstatuetten, die von manchen als Muttergöttinnen interpretiert werden, seien immer vieldeutig.
Eines aber scheint sicher: Die Idee vom mutigen steinzeitlichen Jäger alias Ernährer und der braven Sammlerin alias Hausfrau gehört ins Reich der Fiktion.
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