Gut betuchte Herrschaften bretterten am Wochenende mit ihrem knatternden Gefährt in die Natur, verpesteten die Luft mit Auspuffgasen und zogen eine gigantische Staubwolke hinter sich her. „Denn die Straßen waren noch nicht asphaltiert“, erinnert Ebert. Land gegen Stadt lautete das Match. Die ersten Automobilisten waren zumeist reiche Großbürger und Adelige, die alles niederfuhren, was sich auf die Straßen wagte.
Nägel und Glasscherben
Bald wurde in den Zeitungen gegen den „Automobilunfug“ gewettert. Uwe Fraunholz, Experte für Technikgeschichte an der Universität Dresden, hat vor einigen Jahren für sein Buch „Motorphobia“ die Vorfälle rund um die Autohasser zusammengetragen. „Das war eine breite Bewegung im ganzen deutschsprachigen Raum“, sagt er. In deutschen Zeitungen hat er 22 autofeindliche Aktionen aus Österreich-Ungarn entdeckt. Steinwürfe auf Autos sowie Nägel und Glasscherben auf den Straßen gehörten zum alltäglichen Ärgernis. „Und man kann davon ausgehen, dass es nur die herausragenden Ereignisse in die Gazetten des Nachbarlandes geschafft haben“, meint Fraunholz.
Beispiele gefällig, wie die Vorläufer der Klimakleber agierten? Im Oktober 1904 bombardierte ein 15-jähriger Wirtssohn nahe Wien zwei Motorradfahrer auf ihrem Rückweg vom Semmeringrennen mit Steinen. 1905 wurde gar Erzherzog Eugen von Österreich prominentes Opfer eines Steinwurfes.
Blockaden anno dazumal
Auch Blockaden gehörten zu den Protestmethoden: Bei den Barrikaden von damals könne man durchaus von einer verschütteten Traditionslinie von den frühen Autohassern zu den jetzigen Klimaprotesten sprechen, meint Fraunholz und erzählt von einem Vorfall bei Graz aus dem Jahr 1904, als ein Milchfahrer und ein Knecht eine Straße mit einem zehn Meter langen Lärchenstamm blockierten. „Ein Auto krachte rein und ein Sachschaden von mehr als 100 Kronen entstand.“
Auch Kot landete immer wieder auf den verhassten Gefährten, sodass sich der zuständige Minister 1906 gezwungen sah, die Lehrer anzuweisen, Schüler über die volkswirtschaftliche Bedeutung des Autos aufzuklären.
Motive für den Widerstand
Wobei: Die Gegner hatten gute Gründe. Sie hielten die Autofahrerei für übertriebenen Luxus, führten den Kampf gegen die Gefährte als eine Art Klassenkampf. Kutschenfahrer fürchteten gar um ihre Existenz. Ein Villenbesitzer zeigte Autofahrer an, die zu schnell vorbeifuhren, weil er einen Werteverfall seiner Immobilie befürchtete. Und Hoteliers in idyllischen Urlaubsorten sorgten sich, dass der Autoverkehr die Gäste vertreiben könnte.
Einige sahen in den Lenkern der Motorfahrzeuge sogar potenzielle Verbrecher. Technikexperte Fraunholz: „Vor dem Ersten Weltkrieg war statistisch gesehen in Berlin jedes Auto mehr als einmal pro Jahr in einen Unfall verwickelt.“ (In Österreich war man beim Datenerheben weniger eifrig.)
Kein Wunder: 1902 brachten es Spitzenmodelle auf bis zu 110 km/h. Geschwindigkeitsbegrenzungen? Fehlanzeige! „Damals gab es noch überhaupt keine gesetzlichen Regelungen zum Autoverkehr. Später versuchten sich Gemeinden an einem Regelwerk – einmal war rechts überholen vorgeschrieben, dann wieder links überholen“, erzählt Ebert.
Wie so oft regelte die Zeit, was Proteste nicht schafften. Ebert: „Mit dem Ersten Weltkrieg sind die großen Schlachten geschlagen, das Auto hatte sich auf der Straße etabliert.“
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