Vor Schulbeginn: Kinder und Jugendliche sind mental unter Druck
Erst vor wenigen Tagen wurde Nicole stationär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie aufgenommen: Die 13-Jährige hatte – für ihre Eltern völlig überraschend – versucht, sich das Leben zu nehmen. Wie sich herausstellte, hatte das Mädchen schon seit fünf Monaten darüber nachgedacht. Als Gründe nannte sie depressive Gedanken und Schulängste durch Mobbing. Was nun angesichts des nahenden Schulbeginns in einer „zunehmenden emotionalen Verzweiflung“ gipfelte, sagt Kinderpsychiaterin Kathrin Sevecke, Präsidentin der Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie. „Wir rechnen zu Schulbeginn mit mehr Fällen wie in diesem Beispiel.“
Psychische Belastungen haben angesichts von Pandemie und Krieg deutlich zugenommen, belegen Studien aus Österreich und der EU. „Sie betreffen mittlerweile jeden dritten Jugendlichen“, betont Sevecke. Neben Suizidgedanken, Angstsymptomen, Schlafstörungen tritt bei den jungen Menschen auch problematisches Konsumverhalten (etwa Süchte) auf. Der Beginn eines neuen Schuljahrs vergrößert nun die für viele der jungen Menschen ohnehin bereits große Herausforderung. „Schon vor der Pandemie galt Leistungsdruck in der Schule als belastend“, erklärt die klinische Psychologin Caroline Culen von der Plattform „Liga für Kinder- und Jugendgesundheit“.
Der gestiegene Bedarf durch die Pandemie hat die schon davor knappen Ressourcen nicht gerade verbessert: Rund 400 stationäre Plätze gibt es derzeit in Österreich für Kinder und Jugendliche. „Wir gehen davon aus, dass 800 nötig wären“, sagt Sevecke. Bei den Psychotherapien wären rund 85.000 kassenfinanzierte Plätze nötig, schätzt Barbara Haid, Präsidentin des Verbands für Psychotherapie. Derzeit dürften rund 17.000 junge Menschen in Behandlung sein. Die Wartezeiten sind lang, ein Ausbau wird schon seit Jahren gefordert. Er passiere zwar, aber auf zu niedrigem Niveau.
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