Wann wir die genau erreichen, weiß ich nicht. Herdenimmunität ist für mich aber gar nicht das entscheidende Kriterium. Vielmehr, dass wir der Pandemie ihren Schrecken nehmen. Das können wir erreichen, wenn alle Menschen ab einem gewissen Alter – etwa alle Über-50-Jährigen oder zumindest alle Über-60-Jährigen – geimpft sind. Dann kann man gewisse Maßnahmen nicht mehr rechtfertigen.
Wann kommt das Ende der Pandemie?
In welchen Teilen der Welt? Wir werden in Deutschland und Österreich den Punkt, an dem wir vorsichtig zur Normalität zurückgehen, früher erreichen, weil die Impfstoffverteilung global nicht fair ist. Auch in Europa ist bei der Impfstoffbeschaffung viel schiefgelaufen, trotzdem werden alle Länder hier in etwa zeitgleich dasselbe Niveau erreichen. Wir werden also nicht in Deutschland Normalität haben, während europäische Nachbarländer nachhinken. Ich glaube auch nicht, dass wir eine riesige europäische Spaltung haben werden. Wobei sich weite Teile der Welt so benehmen werden, als ob die Pandemie vorbei wäre, wenn sie es global noch gar nicht ist. Ich hoffe, dass wir nicht anmaßend das Ende der Pandemie verkünden. Es wird letztlich ein Ausschleichen sein. Graduell über einen Zeitraum von wahrscheinlich einem Jahr. Bis wirklich die ganze Welt durchgeimpft ist, sind wir weit in 2022 drin, vielleicht im zweiten Halbjahr.
Gerade junge Menschen leiden besonders unter den Pandemie-Folgen. Manch ein Psychologe warnt bereits vor einer verlorenen Generation ...
... das ist gar dramatisch! Ja, jene, die dieses Jahr Matura machen oder als Student in eine neue Stadt kommen, trifft es besonders. Die tun mir schon sehr leid. Ich hoffe aber, dass in der Folge Fragen der Generationengerechtigkeit stärker besprochen werden; dass es Maßnahmen geben wird, um das auszugleichen und der jungen Generation etwas zurückzugeben. Darum sollten die Auswirkungen im Bildungswesen nicht so dramatisch werden. Und selbst wenn es bestimmt Defizite gibt: Die lassen sich durchaus aufholen. Außerdem konkurrieren diese jungen Menschen später am Arbeitsmarkt mit Leuten, die auch alle dieses Jahr erlebt haben. Denken sie nur an jene, die den Krieg durchgemacht haben. Es gibt Kohorten-Effekte. Und auch 1968 ist in Frankreich die Hälfte des Schuljahres durch Streik ausgefallen. Die Folge: Viel mehr Menschen haben maturiert, weil man Prüfungen leichter gemacht hat.
Mittlerweile beschäftigen Sie sich bereits mit Zukunftsfragen: Wer erholt, sich, wer kommt zurück und wie gut?
Ja, dass die Gastronomie dichtmacht, war uns allen klar. Interessant ist, wie schnell sie zwischen Mai und November wieder gekommen ist. Wissen Sie, wer wirklich miserabel dasteht? Der Bekleidungseinzelhandel. Das hatten wir anfangs gar nicht bedacht. Er ist viel härter getroffen, weil die Leute sich daran gewöhnt haben, Klamotten online zu bestellen. Diese Kunden sind viel weniger zurückgekommen und das wird so bleiben.
Manchen Branchen geht es prächtig, andere bluten total. In einer Weise, für die niemand etwas kann. Da wird man großzügig ausgleichen müssen. Man kann nicht einfach nach dem Motto „Jeder ist seines Glückes Schmied“ rangehen.
Ich glaube auch nicht, dass wir alle nur noch Homeoffice machen werden. Es wird viele Menschen geben, die heilfroh sein werden, wieder ins Büro zurückzukehren. Homeoffice ist nicht das Ende der Arbeit, sondern das Ende deines Privatlebens. Viele werden sagen, dass sie nur dann Homeoffice machen, wenn ihnen ein Extrazimmer bezahlt wird. Spannend wird auch, welche Form von Tourismus wiederkehrt. Ich glaube, Airbnb wird richtig gut dastehen, denn bis die Leute wieder ein großes Hotel-Buffet wollen, könnte mehr Zeit vergehen.
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