Es gab in der Hagenmüllergasse heute aber auch den umgekehrten Fall: „Drei Jugendliche waren da, ohne sich vorher angemeldet zu haben“, erläutert er. „Die kann ich leider nicht aufnehmen – auch weil das dann Schule macht und sich zukünftig niemand mehr korrekt anmelden würde – das Chaos wäre vorprogrammiert.“ Daneben fanden sich auch einige Kinder in der Hagenmüllergasse ein: „Das waren Anfangsschwierigkeiten, die wir schnell gelöst haben“, erläutert Baldauf.
Im Fokus der Sommerschule steht der Deutschunterricht: „Anfangs war die Schule ja nur für außerordentliche Schüler geplant, später ist man dann übereingekommen, dass auch andere Schüler, die Probleme mit der deutschen Sprachen haben, teilnehmen dürfen“, weiß der Direktor.
In der Hagenmüllergasse ist die Schülerschaft deshalb bunt gemischt: „Eine Hälfte kommt aus den Mittelschulen, die andere aus den Gymnasien.“
Möglichst wie im Alltag
Auf dem Programm standen heute Kennenlernspiele wie "Ich packe meinen Koffer" oder Vorstellungsrunden. Auch einige Übungen wie Lesetrainings haben die Lehrenden vorbereitet. Vieles soll spielerisch und in Projektarbeiten gelernt werden - quasi möglichst lebensnah. Das ist die Art, wie man eine Sprache am schnellsten und besten lernt. „Eine Gruppe will am Ende einen Sketch aufführen, die andere möchte ein Portfolio präsentieren.“ Andernorts werden zum Beispiel Zeitungen gemeinsam geschrieben.
Die Gruppen sind so eingeteilt, dass sie relativ homogen sind. Das Feedback der Lehrenden – meist Studentinnen und Studenten – ist nach dem ersten Tag durchwegs positiv: „Sie sind alle willig und eifrig bei der Sache“, berichtet Direktor Baldauf.
Jedes zweite Kind, das berechtigt ist
Insgesamt sind es in Wien, Niederösterreich und Burgenland 12.000 Kinder und Jugendliche der Volksschule sowie der Sekundarstufe 1, die die Sommerschule besuchen. 24.000 hätten Anspruch auf einen Platz, weil sie Probleme mit der deutschen Sprache haben. Das heißt aber nicht, dass die restlichen 12.000 Kinder keinen Unterricht im Sommer bekommen.
Im Gegenteil. Manche Bundesländer haben ihre eigenen Programme. In Wien gibt es zum Beispiel schon seit einigen Jahren die Summer City Camps. Bisher gab es dort nur Lernangebote für Jugendliche der Mittelstufe – heuer gibt es hier erstmals ein spezielles Angebot für Volksschüler: Eine Kombination aus Lernen und Freizeit. „Wie erwartet ist die Nachfrage nach Lernförderung nach dem außergewöhnlichen letzten Schuljahr besonders groß“, sagt der Wiener Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky.
Anders in Wien-Währing
So ist das auch in der NMS Schopenhauerstraße in Wien-Währing, wie Direktorin Erika Tiefenbacher berichtet: „Unsere Lehrerinnen und Lehrer haben intensiven Kontakt zu den Eltern aufgebaut und ihnen klargemacht, wie wichtig der Unterricht im Sommer ist.“ 60 ihrer Schützlinge haben das Angebot der Stadt angenommen, nur vier gehen in die Sommerschule.
Da die Sommerschule relativ kurzfristig anberaumt wurde, war es für die Lehrer oft nicht einfach, den Eltern den Unterschied zu erläutern – schließlich sprechen viele von ihnen kaum oder gar nicht Deutsch.
Insgesamt nutzen heuer gut 2.000 Kinder und Jugendliche das Angebot der Stadt Wien. Dabei geht es nicht nur um Deutsch – etwaige Defizite müssen in jedem Fach aufgeholt werden. „Deshalb war es wichtig, die Plätze in der Lernförderung auszubauen“, sagt Czernohorszky. Die große Nachfrage zeige, dass dieser Weg der richtige ist“, so der Bildungsstadtrat.
Wobei ein Problem weder das Konzept der Sommerschule noch das der Summer-City-Camps löst: Dort, wo Eltern die Bedeutung der Bildung nicht verstehen und die Lehrer mit ihren Argumenten nicht durchdringen, bleiben die Kinder zu Hause. „Und meist sind es diejenigen, die die Unterstützung am dringendsten brauchen“, wie eine Lehrerin einer Brennpunktschule dem KURIER erzählt. „Einige wenige habe ich seit Beginn der Corona-Krise so gut wie nicht erreicht. Wenn sie im September wieder in die Schule kommen, haben sie sicher riesige Rückschritte gemacht. Das wird nur schwer wieder aufzuholen sein.“
Für diese Kinder braucht es wohl besondere Lösungen – oder sie drohen, den Anschluss komplett zu verlieren. Mit all den negativen Folgen für ihr persönliches Leben und für die Gesellschaft.
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