Globalisiertes Dorf
Ob Nilpferde jenseits von Afrika, wurzelstarke Ceylon-Zimtbäume auf den sandigen Seychellen oder Asiatische Harlekin-Marienkäfer gegen heimischen Siebenpunkt: Bioinvasoren breiten sich weltweit rasant aus. Das globalisierte Dorf mit weit ausgebauten Transportrouten und entlegenen Reisezielen, sowie der Klimawandel machen es möglich.
Eine Studie der Uni Wien kam kürzlich zu dem Schluss, dass ein Anstieg von 20 bis 30 Prozent an solchen „Aliens“ bis 2050 rund um den Erdball zu drastischen Verlusten an Tier- und Pflanzen-Arten führen wird. Denn Fressfeinde, hungrige Konkurrenz, mitgebrachte Krankheiten bzw. Genügsamkeit oder bessere Anpassungsfähigkeit verschaffen so manchem Neuankömmling den nötigen Vorteil im Kampf ums Überleben.
2.500 in Europa
„Die kritische Grenze für eine massive Bedrohung über alle Regionen hinweg liegt relativ niedrig“, sagt Studien-Autor Franz Essl vom Department für Botanik und Biodiversität. Für Europa rechnet der Experte mit einem überdurchschnittlichen Plus von ca. 2.500 gebietsfremden Arten. Vor allem Insekten, andere Gliederfüßer wie Spinnen oder Krebstiere und Vögel werden ihre Lebensräume erweitern.
Schon jetzt hat die EU 66 unerwünschte Gäste, die ökologischen bzw. ökonomischen Schaden anrichten, im Visier. 28 davon – z. B. Büschelfarn, Gemeiner Sonnenbarsch, Riesen-Bärenklau und Signalkrebs – sind bereits in Österreich. In den meisten Fällen passiert die Verschleppung unabsichtlich.
Wolfgang Rabitsch vom Umweltbundesamt ist beratend tätigt und zählt Prävention, Sofortmaßnahmen und langfristiges Management auf. Für das aufwendige Monitoring fehlt das offizielle Überwachungssystem – und oft das Geld. Werden die Aliens einmal entdeckt, kann es schon zu spät sein. „Man muss dann lokal genau überlegen, was noch sinnvoll möglich ist“, sagt der Naturschützer.
So war es etwa an der Donau aussichtslos, das Drüsige Springkraut, das 1839 als Zierpflanze aus dem Himalaya-Gebiet nach Europa kam und jetzt die Ufererosion begünstigt, auszureißen.
Im Naturjuwel Thaya-Tal dagegen lohnte sich der Aufwand, hier konnte der einnehmende Schattenmacher erfolgreich durch Mahd und umsichtige Entsorgung ausgerottet werden.
„Maßnahmen haben oft Nebeneffekte“, betont Rabitsch. Herbizide bzw. Pestizide bringen mitunter auch willkommene Arten um. Die Ansiedlung natürlicher Feinde führt immer wieder zu Problemen. Mit dem Asiatischen Marienkäfer z. B. setzten die Europäer in den 1980er-Jahren einen biologischen Schädlingsvertilger aus.
Doch der Harlekin jagt nicht nur Blattläuse en masse, er frisst auch die kleineren Larven seiner Verwandtschaft; die heimischen Marienkäfer sind daher stark zurückgegangen. Mitunter verhindern gar Tierfreunde ein rechtzeitiges Eingreifen. So konnten sich in Italien Grauhörnchen aus den USA etablieren, weil im Rechtsstreit das Dezimieren der süßen Nager verboten wurde. Dabei übertragen die Gegenspieler des Europäischen Eichhörnchens gefährliche Viren und machen Bäume anfällig für Pilzinfektionen.
Am anderen Ende der Welt denken kolumbianische Biologen inzwischen über eine radikale Lösung für Escobars Erbe nach. David Echeverri Lopez von der lokalen Umweltagentur Cornare: „Die Option, Hippos zu töten, war immer auf dem Tisch.“
Kommentare