Erst dieser Tage gaben spanische Forscher bekannt, dass sie in 3.000 Jahre alten Haarsträhnen aus der Höhle Es Càrritx auf der Mittelmeerinsel Menorca bewusstseinserweiternde Substanzen – vielleicht aus der Alraune, vielleicht aus dem Bilsenkraut oder dem Stechapfel – nachgewiesen hatten. Der erste direkte Beweis für Drogenkonsum im Altertum.
Die älteste diesbezügliche Darstellung reicht aber viel weiter zurück, stammt aus Algerien und zeigt, wie Höhlenmenschen vor etwa 10.000 Jahren mit Pilzen in den Händen tanzen. Die lieferten den Wirkstoff Psilocyn, der ähnlich bewusstseinserweiternd wie LSD wirkt und zu Wachträumen und Visionen führt.
Gott nahe sein
Über die Zeit erweiterten die Menschen ihr Wissen rund um Rauschmittel. Immer dienten sie der Selbsterfahrung, als Medizin oder wurden zum Spaß konsumiert. Angetter-Pfeiffer: „Wer high war, hatte das Gefühl mit höheren Mächten sprechen zu können.“
An hohen ägyptischen Feiertagen etwa war das Besäufnis ein gesellschaftliches Ereignis. Wer während dieser Exzesse gezeugt wurde, galt als Glückskind. „Trinkgelage sind kulturgeschichtlich eine wichtige Tradition“, sagt die Medizinhistorikerin. „Stichwort: Carpe diem. Das bekam, als die Pest wütete, eine existenzielle Bedeutung: Nutze den Tag, du weißt nicht, ob du morgen noch lebst. Dazu gehörte auch der Rauschzustand, um es besser verarbeiten zu können.“
Immer wieder verbreiten sich Drogen in der Öffentlichkeit, legal und akzeptiert. Etwa jenes neue Präparat, das 1898 von einem Vorläufer-Unternehmen von Bayer registriert wurde. Bald heißt es: Die Therapie war ein voller Erfolg. Bei drei Kindern – drei, vier und acht Jahre alt – schlug das Medikament bei Keuchhusten an. „Ohne eine Spur von ungünstigen Nebenwirkungen“, zitiert das Therapeutische Monatsheft den Versuch. Bald wurde es gegen fast alles genommen: gegen Schmerzen, bei Depression, Atemwegserkrankungen oder Krebs. Der Name des Medikaments: Heroin.
Morphium für Kinder
Im 19. Jahrhundert gelang es Chemikern, nicht nur Heroin, sondern auch Kokain und Morphium aus Heilpflanzen zu extrahieren. Selbst zahnende Kinder erhielten mit dem „Mrs. Winslow’s Soothing Syrup“ ein Mittel, das vor allem aus Morphium und Alkohol bestand. Mit Kokain versetzte Weine und Limonaden wurden zu Kassenschlagern.
Sigmund Freud war nur einer von vielen, die Lobreden auf die Droge hielten. Das Suchtpotenzial hatte er verschwiegen. Viele Patienten blieben auf Substanzen hängen. Drogen wurden zum gesellschaftlichen Problem. In New York etwa verkauften Süchtige Abfall (junk), um sich Drogen zu beschaffen: der Begriff des Junkies war geboren.
Kampf gegen Drogen
Die USA kämpften dann auch als erstes Land gegen Drogen. Schon im 19. Jahrhundert wurden die Opiumhöhlen chinesischer Einwanderer geschlossen. Anfang des 20. Jahrhunderts, zur Zeit der amerikanischen Prohibition, als selbst Alkohol verboten war, erreichte das Verbot von Rauschmitteln dann seinen Höhepunkt.
Wobei der Blick zurück eines deutlich macht: Letztlich bestimmen soziale Regeln, was akzeptiert wird und was nicht. So dulden wir hierzulande Alkohol, Nikotin und Koffein, verteufeln aber gleichzeitig Heroin, Kokain und – noch – Cannabis. Sozialanthropologe Kloos: „Welche Rauschmittel legal sind, ändert sich von Kultur zu Kultur und von Zeit zu Zeit.“
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