Während der NS-Diktatur wurden die Weihnachtsbräuche und Symbole dann komplett pervertiert. „Der Baum wurde zu einem weiteren Mittel, Propaganda zu betreiben und der Bevölkerung einzubläuen, dass der Führer das Einzige sei, was man anzubeten hätte“, schreibt die Münchner Kulturanthropologin Katja Brauchle im Buch Fröhliche Weihnachten, Weihnachten aus Sicht der Wissenschaft.
Weihnachtskalender statt Adventkalender. Germanischer Sonnwendkult statt Christmette. Weihnachtsmann statt Christkind. Historikerin Stelzl-Marx: „Viele der Symbole kommen aus dem germanischen Brauchtum. Die Nationalsozialisten verfolgten eine raffinierte Strategie: Sie suggerierten, dass die kirchlichen Traditionen einen germanischen und nicht einen christlichen Ursprung hätten.“
Ab 1933 aber waren christliche Bilder auf Kugeln passé und machten solchen mit Nazi-Symbolen Platz – Hakenkreuze, Granaten und eine Julschmuck-Serie, die Motive aus der germanischen Sagenwelt verherrlichte. Sogar Hitlers Kopf aus Glas fand auf den Christbaum, der längst Jultanne hieß.
Anleitung für "Deutsche Weihnacht"
Man verklärte die Mutterrolle als Ersatz für die Gottesmutter. Aus dem Lebensbornheim Wienerwald sind zahlreiche Dokumente erhalten, aus denen hervorgeht, wie Julfeiern zu gestalten waren. So war der Alltag in diesem Entbindungsheim, das zur Förderung von Geburten ,rassisch wertvoller’ Kinder gegründet worden war, von der NS-Ideologie durchdrungen. „Statt dem Heiligen Abend stand die Wintersonnenwende im Mittelpunkt, es gab genaue Anweisungen, welche Lieder man zu singen hatte, welche Texte vorgetragen werden sollten“, sagt Stelzl-Marx, die die Dokumente gesichtet hat.
Zugleich erarbeitete die NSDAP auch Konzepte, wie große Weihnachtsfeierlichkeiten auf Bühnen abzuhalten waren: Hakenkreuzfahnen, Lichterbäume, in der Mitte eine Stele mit der Büste von Adolf Hitler und ein Rednerpult, also eine Art Nazi-Kanzel. 1937 gab die Reichspropagandaleitung eine Broschüre mit dem Titel „Deutsche Weihnacht“ heraus, die Beispiele zur Gestaltung einer guten nationalsozialistischen Weihnachtsfeier enthielt: Sie solle unter anderem
- nicht länger als eine gute Stunde dauern,
- die uralte Tradition des deutschen Weihnachtsfestes sinnvoll mitten in unsere Zeit stellen und
- in einer Art Glaubensbekenntnis zu Volk und Führer gipfeln: Zitat: „Ich bin Deutscher, ich glaube an mein Volk! Ich glaube an seine Ehre! Ich glaube an seine Zukunft (...)“
Privates Julfest?
Dass HJ, Bund deutscher Mädel, SS und SA in dieser Nazi-Manier gefeiert haben, daran gibt es keinen Zweifel. Inwieweit der neue Weihnachtskult tatsächlich in die private Sphäre Einzug hielt, ist aber schwer zu sagen. „Das hing sicher von der jeweiligen Familie ab“, meint die Leiterin des Ludwig-Boltzmann-Institutskriegsfolgenforschung.
Gerüchte wollen wissen, dass das „Hohe Nacht der klaren Sterne“, das binnen weniger Jahre zum populärsten nationalsozialistischen Weihnachtslied avanciert war, bis Weihnachten 1942 gesungen wurde. Nach der Schlacht von Stalingrad war es damit aber vorbei. Unausgesprochen war klar, dass man nicht mehr an den Endsieg glaubte.
Klar scheint: Menschen brauchen Rituale. Aber auch: In zwölf Jahren schafft man keinen neuen Glauben. Ein Fest, das eine so lange Tradition hat, kann man nicht einfach so abschaffen. Und das ist gut so.
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