Im Jahr 1526 lief es gut für Georg von Frundsberg, den süddeutschen Söldnerführer in habsburgischen Diensten: Im Kampf um die Vormachtstellung in Oberitalien hatte sein Söldnerheer eben bei Brescia die Truppen des mit Frankreich verbündeten Papstes geschlagen. Dann wendete sich das Blatt: Wochenlang war der Habsburger-Kaiser, Karl V., den Söldnern ihr Geld schuldig geblieben. Kriegsunternehmer Frundsberg hatte sogar sein Familiensilber für umgerechnet 12 Millionen Euro verpfändet, um seine Männer zu bezahlen.
Als dann Gerüchte über einen bevorstehenden Friedensschluss mit dem Papst aufkamen, brach die offene Revolte aus: Die Söldner jagten ihre Kommandeure aus dem Lager und brüllten vor Frundsbergs Zelt unaufhörlich „Geld! Geld! Geld!“
Diese Episode kommt dem Historiker Hannes Leidinger in den Sinn, wenn man ihn fragt, ob im Laufe der Geschichte Söldnerheere bereits einmal außer Kontrolle geraten sind. „Sacco di Roma, die Plünderung Roms, ist das vielleicht berühmteste Beispiel“. Nachdem ihr Anführer Frundsberg im Zuge der Anfeindungen einen Schlaganfall erlitten hatte, zogen die Söldner nach Süden und Rom hatte dem Angriff nichts entgegenzusetzen. Leidinger: "Zwischen den unterschiedlichen Söldnergruppen – Deutschen, Spaniern, Italiener – begann ein Wettkampf der Plünderungen und Morde."
90 Prozent der Kunstschätze wurden damals zerstört oder geraubt.
von Hannes Leidinger
Historiker
Der Militärexperte spricht von „Apokalypse.“ Der Sacco di Roma gilt als Höhepunkt der Gewaltexzesse durch unkontrollierbare Söldnerheere.
500 Jahre später sehen wir eine Renaissance des zweitältesten Gewerbes der Welt. Der Deutschlandfunk etwa kommentierte unlängst: „Das Söldnerwesen geht zurück ins Mittelalter, als Privatheere die Außenpolitik ganzer Staaten diktiert haben. Und wir sind genau auf diesem Weg, zurück in den Dreißigjährigen Krieg. Wir privatisieren den Krieg und wenn wir das weiter tun, dann gerät die Welt aus den Fugen.“
Zuletzt geschehen am Wochenende, als sich in Russland Jewgeni Prigoschin samt seiner Wagner-Söldner verselbstständigte, Richtung Moskau marschierte und die Welt den Atem anhielt.
Kämpfen gegen Geld
Wobei die Idee, „Kämpfen gegen Geld“ sehr alt ist. Militärgeschichte bedeutet zum größten Teil Söldner-Geschichte (siehe Grafik unten). Besonders gefragt waren sie im gesamten Mittelalter. Woher sie sich rekrutierten? Leidinger: „All die zweit- und drittgeborenen Söhne, die kein Erbrecht hatten und von den Höfen weichen mussten, verschuldete Bauern, aber auch Handwerker verdingten sich als Söldner.“
Geschichtswissenschafter beschrieben die Söldnerhaufen immer wieder als Sammelbecken für Kriminelle und Ausgestoßene. Militärhistoriker Manfried Rauchensteiner widerspricht: „Früher hat man sich gescheut, Kriminelle zu Söldner zu machen – zu unsicher!“, sagt er. Und weiter: „Ich verstehe nur zu gut, dass man jetzt versucht, die Wagner-Söldner durch das reguläre Heer zu disziplinieren.“
Eigensinnige Söldner
Die Ereignisse in Russland hält Rauchensteiner für „präzedenzlos“, die Eigensinnigkeit von Söldnerführern sei aber keine rein russische Erfahrung. Im 30-jährigen Krieg zitterten alle vor dem skrupellosen Wallenstein. Offiziell im Dienste von Kaiser Ferdinand II., trieb er erbarmungslos Geld ein und baute eine riesige Armee auf.
Wallensteins Söldnerheer zählte mit zu den Größten, die es je gab.
von Manfried Rauchensteiner
Militärhistoriker
Rauchensteiner geht von 40.000 und mehr Mann aus. Trotzdem verlor der Söldnerführer die Gunst des Kaisers, der Verrat witterte. Wallenstein wurde schließlich von kaisertreuen Offizieren beseitigt und ist ein eindrückliches Beispiel für Aufstieg und Fall eines Kriegsunternehmers.
Staatliche Armee: Eine moderne Idee
Söldnerheere, wie die Wallensteins oder aktuell Prigoschins, sind in der Geschichte also Normalität, die Differenzierung zwischen regulären Soldateneinheiten und Söldnern kam erst mit dem Nationalismus auf. In der Französischen Revolution wurden die Söldnerheere aufgelöst, die allgemeine Wehrpflicht beschlossen. Dass Staaten eine Armee haben, ist also eine moderne Idee.
Übrigens: „Die Schweiz hat das Söldnertum bereits 1859 verboten“, sagt Historiker Leidinger. „Das Anwerben und Söldner-Sein ist illegal geworden. Heute ist in den meisten Staaten die Gefahr groß, die Staatsbürgerschaft zu verlieren, wenn man als Söldner dient.“
Und trotzdem feiern Söldnerheere in einer Grauzone 2023 fröhliche Urständ.
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