Martin Gaenszle vom Institut für Südasien-, Tibet- und Buddhismuskunde der Uni Wien sieht dahinter Bestrebungen der Regierung, die Hindu-Identität in den Vordergrund zu stellen. „Man versucht, ganz viele Teile der Geschichte umzuschreiben.“
Indien sei noch immer zu stark von der britischen Kolonialzeit geprägt, lautet die Argumentation der hindunationalistischen Regierung. Der Indien-Kenner weiter: „Auch, dass Muslime eine bedeutende Rolle in Indiens Historie gespielt haben, wird möglichst verschwiegen. Daher werden Straßen umbenannt. Mogulkaiser werden rausgenommen und gegen Hindu-Könige ausgetauscht. Das ist eine ganz eigenwillige Geschichtsinterpretation“.
Der Name Bharat ist bereits jetzt am Subkontinent omnipräsent.
Und wir lernen: „Bharat, der mythologische König, wird mit kurzem A gesprochen, aber Bhārat – mit langem A – steht für die Nachkommen und das Land. Im Grunde ist Bhārat die Übersetzung des Wortes ,Indien’ in die Hindi-Sprache.“ Sogar in der Verfassung ist er längst verankert.
„India, that is Bharat“
In Artikel 1 steht: „India, that is Bharat, shall be a Union of States“ (Indien, d.h. Bharat, soll ein Staatenbund sein). Alle offiziellen Dokumente in englischer Sprache tragen den Namen Indien. In Dokumenten, die in Hindi veröffentlicht werden, steht Bharat statt Indien.
Viele Namen
Wobei das Land mit den heute meisten Einwohnern der Welt im Laufe seiner Historie bereits viele Namen hatte: Herodot nannte es 440 v. Chr. „India“; das Alte Testament sprach etwa später von „Hodu“; eine Sanskrit-Abhandlung aus der Zeit um 200 v. Chr. brachte den Namen „Jambu-dvīpa“, wörtlich Beereninsel, auf; ehe das Land, das nördlich des Ozeans und südlich der schneebedeckten Berge liegt, Bhārata genannt wurde; dort leben die Nachkommen von Bharat.“ Den Namen „Hind“ – „Hindu“ war die altpersische Adaption von „Sindhu“ und ist bis heute im Wort Hindustan erhalten – brachte dann der islamische Geograf Istakhri um 950 auf, ehe die Briten wieder zu „India“ zurückkehrten.
Der Name „Indien“ leitet sich also ursprünglich von einem Sanskrit-Wort ab und kam dann über den Umweg der Perser und Griechen, die das Wort benutzt haben, auf den Subkontinent zurück. Im Altenglischen taucht der Begriff bereits im 9. Jahrhundert auf und wird im 17. Jahrhundert im modernen Englisch wiederentdeckt.
Wird also nicht ganz einfach, die Welt vom Standpunkt der Nationalisten zu überzeugen, dass „India“ ein kolonialer Begriff ist und Indiens Vergangenheit nur auf einer ehrwürdigen hinduistischen Zivilisation gründet, die es wiederzubeleben gilt. Fakt ist aber auch, sagt Gaenszle, dass „das Wort Indien als fremdländisch wahrgenommen wird, während Bharat sehr stark mit dem Hinduismus verknüpft ist“.
Weil das Land zwar mehrheitlich hinduistisch aber gleichzeitig multireligiös ist, könnte in diesem Punkt das letzte Wort wohl noch nicht gesprochen sein.
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