Fußball: Welche Spieler am Platz eher ausrasten

Fußball: Welche Spieler am Platz eher ausrasten
Je höher Alter und Marktwert, desto eher steigt die Wahrscheinlichkeit für Pöbeleien bei Top-Spielern, wie eine Studie zeigt.

Es sind nicht nur die schönsten Torschüsse oder die weitesten Pässe, die bei Fußballspielen in Erinnerung bleiben. Besondere Aufmerksamkeit erhalten oft unsportliche Ausraster wie Schubsen, dem Gegenüber vor die Füße spucken oder Schimpfen. Kurz vor Start der Weltmeisterschaft in Katar untersuchten Wissenschafter der FernUni Hagen, bei welchen Spielern die Wahrscheinlichkeit für Ausraster am Platz besonders hoch sind. Denn selbst Profis haben ihre Emotionen nicht immer im Griff und reagieren bisweilen aggressiv oder gewalttätig.

Die Forscher untersuchten Spiele der 1. Fußballbundesliga der Männer in Deutschland. Sie konnten für ihre Analyse auf einen Datensatz zurückgreifen, der alle Spiele der Saisons von 2014/15 bis 2018/19 umfasst. Das sind ungefähr 40.000 Spieler-Spiel-Beobachtungen, in denen sie 730 Fälle von Selbstsabotage, also Verlust von Selbstbeherrschung, der dem Team keinen Vorteil bringt, fanden.

Ältere schimpfen mehr

Das Ergebnis: Vor allem Alter und Talent begünstigen die Neigung zum Kontrollverlust. Bei 30-Jährigen ist die Wahrscheinlichkeit, auf dem Fußballplatz auszurasten, um 30 Prozent höher als bei 20-Jährigen. "Wir haben gedacht, dass die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich jemand falsch verhält, mit dem Alter abnimmt", sagt Studienautor Hendrik Sonnabend.

Doch genau das Gegenteil ist der Fall. "Unsere Ergebnisse zeigen deutlich, dass der emotionale Kontrollverlust mit zunehmenden Alter größer wird." Besonders anschaulich ist der Zusammenhang im Zehnjahresvergleich. "Man könnte sagen: Bei 30-jährigen Spielern ist die Wahrscheinlichkeit, auf dem Platz auszurasten, um 30 Prozent höher als bei 20-Jährigen. Die Annahme ‚Je älter, desto weiser‘ können wir also keineswegs bestätigen", fasst Sonnabend die Ergebnisse zusammen.

Hoher Marktwert, mehr Ausraster

Neben dem starken Einfluss des Alters sehen die Forscher emotionalen Kontrollverlust vor allem bei besonders talentierten Spielern. Weil sie in ihrer Untersuchung das Talent über den Marktwert abbilden, können sie Unterschiede sehr präzise bis hinunter in einstellige Prozentbereiche messen. Dabei kam heraus: "Wenn der Marktwert eines Spielers nur um einen Prozentpunkt steigt, steigt auch die Wahrscheinlichkeit dafür, dass er auf dem Platz ausrastet – und zwar um vier Prozent."

Ganz besonders extrem ist der Effekt daher bei den Überfliegern, den Profispielern mit Marktwerten in Millionenhöhe. „Bei Top-Spielern wie Erling Haaland oder Jude Bellingham liegt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie ausrasten im Vergleich zu weniger talentierten unserer Untersuchung zufolge bei über 50 Prozent.“

Gleiches Muster im Job und in der Schule

Doch warum ist das so? Sportökonom Sonnabend musste seine Hände zur Psychologie ausstrecken, um seine Beobachtungen erklären zu können. Dank dem Tipp des FernUni-Psychologen Jonas Küppel stieß er dort auf die aus den 1970er-Jahren stammende Theorie des Sozialen Lernens. Die Theorie besagt, dass sich Fehlverhalten verfestigt, wenn es folgenlos bleibt. "Wenn in der Bundesliga vereinsintern gestraft wird, trifft es eher die Spieler mit geringem Status, das ist zumindest mein Eindruck. Dieser Umstand begünstigt natürlich weiteres Fehlverhalten der talentierten Spieler."

Was aber in jedem Fall unter dem schlechten Verhalten leidet, ist die Chance auf den Sieg. "Wenn ein Spieler im Favoritenteam wegen Meckerns die gelbe Karte bekommt, dann sinkt die Wahrscheinlichkeit, das Spiel zu gewinnen. Auch das konnten wir mit unserer Studie zeigen", sagt der FernUni-Forscher.

Wie sich Menschen in Wettkampfsituationen verhalten, ist für Sonnabends Forschungsgebiet, die Volkswirtschaft, von großem ökonomischen Interesse. Die Ergebnisse seiner Untersuchung lassen sich auf sämtliche Situationen übertragen, in denen wir uns mit anderen Menschen vergleichen, um eine bessere Position anzustreben: im Job genauso wie in der Schule. "Es ist davon auszugehen, dass sich das von uns identifizierte Muster auch außerhalb des Fußballs finden lässt."

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