Eiffels Mutter weiß die industrielle Revolution zu nutzen, zieht einen Holzhandel auf, sattelt auf Kohle um und häuft Geld an. Gustave will in Paris die beste Ingenieurschule des Landes, die Ecole Polytechnique besuchen, scheitert aber an der mündlichen Prüfung der Eliteschmiede. An der „Ecole Centrale“, einer industriell ausgerichteten Ingenieur-Hochschule, wird er aber aufgenommen.
Eiffel studiert zunächst Chemie, später Metallbau, genau zur rechten Zeit. Es ist der Beginn der Eisenbahn-Ära. Überall werden Trassen gebaut, Gleise, Lokomotiven, Brücken und Gebäude mit großen Dachstrukturen. „Wenn wir über die Transformation der Städte in der Mitte des 19. Jahrhunderts reden, dann ist die Eisenbahn ein ganz wesentlicher Einschnitt“, sagt der deutsche Kulturwissenschafter Jens Wietschorke, der sich intensiv mit der damaligen Veränderung der europäischen Metropolen beschäftigt hat. Sein Buch „Wien – Berlin. Wo die Moderne erfunden wurde“ steht auf der Shortlist für das Wissenschaftsbuch 2024 in der Kategorie Geistes-/Sozial-/Kulturwissenschaft. Der Forscher weiter: „Die Eisenbahn kommt innerhalb von zwei, drei Jahrzehnten flächendeckend in die großen Städte. Man braucht Streckennetze und Brücken – eines greift ins andere“.
Vorerst aber steht der Student noch am Anfang: „Er hat sich als einer der ersten in Frankreich mit dem Stahlskelettbau beschäftigt. Das zu konstruieren hat Eiffel gelernt“, sagt Wietschorke. Er übernimmt kleinere Baustellen, bewährt sich. 1858, mit 26, darf er den Bau einer 500 Meter langen Eisenbahnbrücke bei Bordeaux leiten. Die Brücke über die Garonne ist die spektakulärste Baustelle im Land.
"Eine Frau, die mir nicht auf die Nerven geht"
Eiffel bekommt Folgeaufträge, verdient ordentlich, aber eins fehlt ihm: die Ehefrau. Sechs Mal wirbt er um die Hand wohlhabender oder adeliger Damen. Erfolglos. Schließlich bittet er seine Mutter in einem Brief um Hilfe. Er klingt wie ein echter Macho, gleichzeitig auch verzweifelt: „Ich werde mich mit einer Frau begnügen, die über ein mittelmäßiges Vermögen verfügt, eine passable Figur hat, ausgeglichen ist und eine gewisse Schlichtheit des Geschmacks besitzt. Genauer gesagt: Ich brauche eine gute Hausfrau, die mir nicht auf die Nerven geht.“ Die Wahl der Mutter fällt auf die Enkelin eines Geschäftspartners: Marie Marguerite Gaudelet. Noch im selben Jahr wird geheiratet. Er ist fast 30, sie 17. Fünf Kinder sollten folgen.
Der Ingenieur ist nun über Frankreich hinaus bekannt. Er ist zuverlässig, innovativ und ein gewiefter Geschäftsmann. Seine Firma hat 300 Mitarbeiter und er geht weltweit auf Akquise, baut in Asien, Afrika und Südamerika, vor allem Brücken, aber auch Kathedralen und Bahnhöfe (siehe Grafik).
Und er entwickelt ein System für zerlegbare Brücken: Seine Firma produziert die Bausätze in seiner Werkstatt bei Paris und verschickt sie mit Montageanleitung. Die Kunden müssen die Brücken dann nur noch zusammenschrauben. Die Innovation sichert ihm über Jahre hinweg Profit.
Als Frankreich den USA 1880 ein Monument schenken will, liefert einer von Eiffels Ingenieuren das ausgeklügelte Trägersystem, das der Freiheitsstatue ihre Form gibt.
Fünf Jahre später kommen die Organisatoren der Pariser Weltausstellung von 1889 auf ihn zu: Er solle das höchste Bauwerk aller Zeiten – einen 300-Meter-Turm – errichten. Ein Assistent von Eiffel fertigt eine grobe Skizze an – Eiffel selbst ist ein schlechter Zeichner. Trotzdem gelingt es ihm, den Turm stabil zu machen: Die Gitterform bietet dem Wind – dem Hauptproblem – keine Angriffsfläche. Der Eiffelturm ist, wenn man so will, leichter als Luft – all das Schmiedeeisen wiegt weniger als die Luftsäule, die es umgibt. Außerdem verteilt die geschwungene, sich verjüngende Struktur des Turms das Gewicht des Turms sicher auf den Boden.
Damals tobt ein Wettkampf, wem es zuerst gelingen würde, das höchste Gebäude der Welt zu errichten. Kulturwissenschafter Wietschorke: „Gebäude aus Stahl und Glas, sollen zeigen: So sieht die moderne Zeit aus! Und Paris steht damals für Modernisierung schlechthin.“
Bald heißt es in der Presse über den Eiffelturm, er sei ein Wahnsinn, aber ein großartiger und stolzer Wahnsinn.
Eiffel war am Höhepunkt. Einige Monate vor der Eröffnung des Turms unterschreibt er den teuersten Vertrag seiner Karriere: zehn Schleusen für den Panamakanal. Das Mammutprojekt soll den Atlantik mit dem Pazifik verbinden. 85.000 Kleinanleger hoffen auf gute Rendite.
Doch die Kanalbau-Firma lügt, betrügt und schmiert. Ein Jahr, nachdem Eiffel seinen Vertrag unterzeichnet hat, geht er im Korruptionsskandal mit unter, kann aber noch 20 Millionen Francs Gewinn herausschlagen. Das verzeiht man ihm nicht. „Ruchloser Profitmacher“ schimpft die Presse. Die Öffentlichkeit will Köpfe rollen sehen.
Eiffel wird zusammen mit vier Betreibern der Gesellschaft angeklagt, sitzt sogar eine Woche im Gefängnis. Vor Gericht macht der einst so selbstsichere Industrielle eine klägliche Figur, stottert und wirkt abwesend. Trotz eines Freispruchs ist Eiffels Ruf ruiniert. Mehrere Städte taufen nach ihm benannte Straßen um.
Zweite Karriere
Im Alter von 61 Jahren startet er eine zweite Karriere als Wissenschafter. Auch sie währt fast drei Jahrzehnte. Eiffel erforscht die aerodynamischen Grundlagen des Flugzeugbaus.
Und sein berühmtestes Werk heißt noch immer nach ihm – Eiffelturm.
Kommentare