Weil er Soldaten auch nach der Schwere ihrer Verletzungen einteilte, könnte man ihn den Erfinder der Triage nennen. Auch, wenn dieser Begriff damals noch nicht gebräuchlich war. Das Wort, das vor Corona in der breiten Öffentlichkeit völlig unbekannt war, dieser Tage aber in aller Munde ist, tauchte erstmals 1808 in einem Tagebuch auf – dem des Generalchirurgen Pierre-Francois Percy, einem Kollegen Larreys, der für die medizinische Versorgung auf dem Schlachtfeld verantwortlich war.
„Das französisches Wort bedeutet nichts anderes als aussuchen oder sortieren", sagt Angetter. Formen der Sortierung auf dem Schlachtfeld gab es auch zuvor schon. Nur ging es statt um Lebensrettung um eine Auslese nach rein militärischen Kriterien: Versorgt wurde, wer danach wieder kämpfen konnte.
Dieser Logik folgte bereits im 16. Jahrhundert Kaiser Maximilian. „Er schickte mit den Soldaten Ärzte ins Feld. So war Hilfe relativ rasch vor Ort“, erzählt Angetter. „Das war noch nicht Triage, wie wir sie heute kennen, aber Maximilian sorgte für schnelle Versorgung und damit für die Aufrechterhaltung der Moral der Truppe. Denn Soldaten, die wissen, dass ihre Verwundung rasch versorgt wird, sind eher bereit zu kämpfen.“
Systematisiert wurde die Triage dann im 19. Jahrhundert vom russischen Militärchirurgen Nikolai Iwanowitsch Pirogoff, weiß Medizinhistoriker Czech. „Er war ein Praktiker und hat im Zuge des Krimkriegs (1853 bis 56) das System aufgebaut.“
„Es entstand, weil es im 19. Jahrhundert ein großes Missverhältnis zwischen verwundeten Soldaten und Hilfskräften gab“, sagt Angetter, die auch aktive Notfallsanitäterin beim Roten Kreuz ist. Man musste sich die Kräfte genau einteilen und auswählen. „Wer muss am dringendsten versorgt werden, wer kann, weil leichter verletzt, warten, und wer muss abtransportiert werden“, erklärt die Notfallsanitäterin.
Fünf Gruppen
Pirogoff legte fünf Gruppen fest – von den hoffnungslosen bis zu den leichten Fällen. Frontspitäler wurden für die frisch Verwundeten freigehalten. Wer auf dem Weg der Besserung war, wurde zur Genesung ins Hinterland geschickt. Da ist es wieder – das „Sortieren“ anhand der sogenannten „Triage“. Immer mit dem Ziel der richtigen Strategie, um möglichst viele Menschenleben zu retten – und zwar anhand der medizinischen Erfolgsaussichten.
Und hier schließt sich auch der Kreis zur Gegenwart: „Die Gemeinsamkeit sind die knappen Ressourcen“, sagt Czech. Immer, wenn eine große Anzahl an Verletzten oder Kranken zu versorgen ist, schlage die Stunde der Triage – egal, ob bei Kriegshandlungen gegen Zivilisten, Naturkatastrophen oder bei Pandemien und Terroranschlägen.
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