Corona-Studien: Warum man nicht nur Überschriften lesen sollte
Ulrike Felt forscht an der Universität Wien über die Wissenschaft selbst, also ihre Methoden, ihre Struktur und ihre Entwicklung. Sie relativiert die These, dass Forscher in der Corona-Krise teilweise zu gegensätzlichen Aussagen kommen: „Wissenschafter sind Spezialisten und sehen sich immer nur Teilaspekte von komplexen Gesamtproblemen an.“
Am Beispiel Corona heißt das: Einer untersucht das Virus und seine Eigenschaften, der andere seine Verbreitungswege, andere die wirtschaftlichen oder sozialen Folgen der Pandemie. Abhängig davon, aus welchem Blickwinkel jemand das Virus und seine Folgen betrachtet, kann es zu Aussagen kommen, die auf den ersten Blick widersprüchlich scheinen. „Wenn man aber genauer schaut, auf welcher Basis und zu welchem konkreten Aspekt des Problems Wissenschafter etwas sagen, merkt man, dass sie sich eher ergänzen als widersprechen.“
Lernen, wie Studien zu lesen sind
Doch viele würden nur die Überschriften lesen. Wir sollten lernen, wie wissenschaftliche Ergebnisse zu interpretieren sind: „Wir müssten uns immer ansehen, mit welchem Ziel und unter welchen Grundannahmen Wissenschafter ihre Aussagen treffen. Dann kann man Aussagen besser einordnen.“ Die Coronakrise lege jetzt zu Tage, dass viel zu wenig über Wissenschaft selbst und wie sie arbeitet diskutiert werde – die Krise könne eine Chance sein, das zu lernen.
Keine endgültigen Antworten
Für viele sei es zudem nicht einfach zu verstehen, dass die Wissenschaft keine endgültigen Antworten hat – gerade bei einem Virus, das wir erst kurz kennen. Alle stehen in einem Erkenntnisprozess, bei dem es auch Sackgassen gibt. Das bedeutet: „Die Wissenschaft unterstützt zwar wesentlich bei der Lösung eines gesellschaftlichen Problems, kann aber auch nicht umfassend sagen, was passiert, wenn wir diese oder jene Maßnahme setzen“, erläutert Felt.
Unsicherheit ist normal
„Wir müssen also lernen, mit diesen Unsicherheiten umzugehen und diese abzuschätzen“, sagt Felt. Das gilt insbesondere für Politiker „Sie müssen rasch Entscheidungen treffen – aufgrund von wissenschaftlichen Erkenntnissen, die eben bisweilen nur Teilaspekte abdecken.“ Aufgabe der Politik sei es, transparent zu machen, welche Forschungsergebnisse Grundlage für ihre Entscheidungen sind und warum. „Das muss klar kommuniziert werden. So kann ich selbst entscheiden, ob ich das nachvollziehen kann. Transparenz ist das A und O für die Demokratie.“
Medizin gegen Fake News
Werden Entscheidungen so transparent kommuniziert und lernen die Menschen gleichzeitig, wie man wissenschaftliche Schlüsse zieht, so sei das das beste Mittel gegen Fake News. „Wenn wir nicht wissen, was jemand vorlegen muss, um seine Aussage begründen zu können, dann fallen die Menschen auf Falschnachrichten herein.“ Jüngstes Beispiel: „Auf Youtube war bis vor kurzen ein Video zu sehen, indem suggeriert wurde, dass die Verbreitung des Corona-Virus mit dem Ausbau des 5G-Netzes zu tun habe. Dazu wurden zwei Karten übereinander gelegt. Doch wenn etwas korreliert, heißt es noch lange nicht, dass es einen kausalen Zusammenhang gibt.“
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