Es muss ein Inferno gewesen sein: Ein Pfeilhagel und ein großes Feuer, so heiß, dass selbst die Steine im Holzkasten des Schutzwalls zu schmelzen begannen, begleiteten den massiven Angriff. Schädelreste zeugen bis heute vom brutalen Untergang der blühenden Bronzezeit-Siedlung auf dem Berg mit beeindruckendem Ausblick 60 Kilometer Luftlinie südlich von Wien.
Der keltische Ort bei Schwarzenbach in der Buckligen Welt (NÖ), dessen Macht und Reichtum auf dem „norischen Eisen“ fußte, war schon lange bekannt. Auch einen viel älteren verkohlten Schutzwall hatten die Forscher schon vor sechs Jahren bei einer Grabung entdeckt. Doch erst nach und nach haben Archäologen rund um Wolfgang Neubauer vom Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie (LBI ArchPro) seine Bedeutung erkannt: Dass nämlich bereits 1.500 Jahre vor den Kelten eine große, massiv befestigte bronzezeitliche Siedlung dort thronte. Jetzt haben sie den Aufbau der Anlage mit Hilfe von Virtual Reality rekonstruiert.
Und natürlich ihre Zerstörung.
Das Motiv für den Angriff meint der Archäologe ebenfalls zu kennen: Die Bewohner, ist Neubauer sicher, kontrollierten den bronzezeitlichen Kupferhandel und waren dementsprechend reich und mächtig.
Wie das kam, erklärt er im Gespräch mit dem KURIER:
Seit einem Vierteljahrhundert versucht Archäologe Neubauer mit seinem Team dem Burgberg seine Geheimnisse zu entlocken: Das, was heute im Grenzgebiet zwischen Niederösterreich und Burgenland ziemlich im Abseits liegt, war früher der Nabel der Welt: Die Siedlungsgeschichte reicht von der Jungsteinzeit über die Bronzezeit bis in die jüngere Eisenzeit. Sogar der Sitz keltischer Fürsten wurde auf dem Burgberg ausgemacht.
Ihren Wohlstand verdankten die Kelten dem bedeutendsten Rohstoff dieser Epoche, dem Eisen. Antike Geschichtsschreiber nannten es ferrum noricum (norisches Eisen) und meinten damit das Beste vom Besten. Die antiken Schwarzenbacher exportierten das Eisen jedenfalls in alle Richtungen. Ganz Europa riss sich darum.
Es war hochqualitatives Eisen, fast schon Stahl, das von den Römern für die Waffenproduktion geschätzt wurde.
von Wolfgang Neubauer
Archäologe
Von 250 bis 15 v. Chr. wurde also im großen Stil produziert, man könnte sagen, dass hier die Voest der Kelten lag. Neubauers Team hat die Siedlung rekonstruiert und schätzt die Einwohnerzahl auf 1.500 bis 2.500. Cäsar nannte so einen Ort Oppidum – stadtartige Siedlung.
Hier herrschte reges Treiben. Eine Schmiede, Werkstätten für die keltische Schmuckproduktion und Münzprägung wurden errichtet – alles auf den Resten der Brandkatastrophe der Bronzezeit, die jetzt nachgewiesen werden konnte.
Schicht für Schicht wurden tausende Steine, Überreste mehrerer Bauten, freigelegt. Bronzene Schmucknadeln, Armreifen und Fingerringe, Beile und Lanzenspitzen zeugen von Reichtum und wurden neben den Scherben tönerner Gefäße entdeckt. Auch Knochen von Menschen und den verspeisten Haus- und Wildtieren sowie dutzende Pfeilspitzen aus Feuerstein kamen zum Vorschein.
Nach der Analyse stand fest: Es handelt sich um eine Siedlung aus der Zeit von 1.800 bis 1.100 v. Chr.
Viel wisse man über die Menschen nicht, sagt Neubauer. „Die Kelten kamen erst um 280 v. Chr. aus Ostfrankreich und der Schweiz in diese Region." Man wissen also nicht, wer diese Ur-Schwarzenbacher der Bronzezeit waren. Erschwerend käme dazu: "Es war tabu, Menschen abzubilden." Es gibt also keine Bilder dieser Leute, nur die Tracht sei - dank der Funde aus den antiken Salzstollen in Hallstatt - gut dokumentiert.
Nur so viel sei bekannt: „Die Menschen, die von hier bis nach Sachsen und ins Rheinland lebten, dürften zu einem zusammenhängenden Kulturraum gehört haben. Das verbindende Element: Sie gingen von der Körper- zur Brandbestattung über“, sagt Neubauer.
Cashcow Bergbau
Sicher ist er sich auch, dass die Ur-Schwarzenbacher eine große Nummer im damaligen Kupferhandel waren:
„Das Kupfer, nur einen Tagesmarsch entfernt an der Rax abgebaut, wurde mit Zinn aus Siebenbürgen zu Bronze verarbeitet. Es war für die vielen Siedlungen in der pannonischen Tiefebene bestimmt – 1.500 Jahre vor den Kelten“, erzählt der renommierte Archäologe.
Der Wissenschafter zeigt Richtung Osten, wo man bei gutem Wetter den Plattensee sehen kann. Im Westen reicht der Blick bis zum Schneeberg. Von der Siedlung aus kann der Weg nach Osten in die pannonische Ebene weithin überblickt werden. Forscher sehen die strategische Lage der Siedlung, die zahlreichen Funde und die Befestigungsanlage als Beweise, dass der Kupferhandel von hier aus gesichert wurde.
Reichtum wurde zum Verhängnis
„Es gab wohl keine Könige, aber sehr wohl Fürsten“, sagt Neubauer. Bei den Machthabern an der Kupferroute muss es sich daher um Personen von hohem sozialen Status gehandelt haben. Ihre Macht und ihr Wohlstand bauten auf der Kontrolle des Rohstoffhandels auf, was ihnen jedoch zum Verhängnis wurde:
Um 1.100 v. Chr. wurden sie von unbekannten Feinden angegriffen und ausgelöscht. Der Schutzwall wurde niedergebrannt.
„Neubauer: „Fast 1000 Jahre war dann an dieser Stelle - nichts.“ Die nächsten Siedlungsspuren auf dem Burgberg stammen erst von den Kelten im dritten Jahrhundert vor Christus.
Info:Anlässlich des Keltenfestivals (17. bis 19. Juni) werden im Freilichtmuseum Schwarzenbach erstmals die aktuellen Funde präsentiert. Ein Video und ein dreidimensionales Modell erklären den Aufbau der rekonstruierten bronzezeitlichen Wallanlage.
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