Anglerfische beim Sex: Warum das Männchen so am Weibchen hängt

Das winzige Männchen sieht aus wie eine Flosse.
Die Tiefseetaucher wachsen bei der Fortpflanzung zusammen. Nun wissen Forscher, wie der Sexualparasitismus funktioniert.

Das Paarungsverhalten mancher Tiefseefische ist speziell: Bei Anglerfisch-Arten verschmelzen zum Beispiel die winzigen Männchen vorübergehend oder für immer mit den wesentlich größeren Weiben; Haut und Blutkreislauf der beiden wachsen zusammen. Ein außergewöhnlicher Prozess, ist doch das Immunsystem der meisten Lebewesen darauf ausgerichtet, körperfremdes Material abzustoßen.

Anglerfische umgehen den Abstoßungsprozess mit einem Trick, berichten Forscher im Fachmagazin "Science". Demnach ist das Immunsystem der Fische im Vergleich zu anderen Wirbeltieren massiv umgebaut.

Seltener Sex in 300 Meter Tiefe

Tiefsee-Anglerfische kommen in allen Ozeanen der Erde in einer Tiefe unterhalb von 300 Metern vor. Sie haben zahlreiche bemerkenswerte Anpassungen entwickelt, um das Leben in der Dunkelheit zu meistern; so auch bei der Partnersuche.

Einzigartige Praktik

Treffen zwei Exemplare aufeinander, was nur selten der Fall ist, heftet sich das sehr viel kleinere Männchen an das Weibchen. Verschmelzen Haut und Blutkreislauf miteinander, wird das Männchen komplett vom Weibchen abhängig und bezieht Nährstoffe nur von ihm. Im Gegenzug liefert das Männchen Spermien zur Befruchtung der Eier. Das erspart die aufwendige erneute Partnersuche in der Tiefsee. Diese Form des Sexualparasitismus ist im Tierreich einzigartig.

Genunterschiede untersucht

Forscher untersuchten nun das Genom von 31 Tieren, die zu insgesamt zehn Arten von Tiefsee-Anglerfischen mit unterschiedlichen Verschmelzungsstrategien gehören. Die Forscher schauten dabei vor allem auf genetische Merkmale, die mit dem Immunsystem in Verbindung stehen und entdeckten deutliche Unterschiede zwischen verschmelzenden und nicht verschmelzenden Arten.

Keine Antikörper

So fanden sie bei Arten, die nur vorübergehend miteinander verschmelzen, keine funktionsfähigen Gene aus der Gruppe der aicda-Gene. Diese spielen bei der Reifung von Antikörpern eine Rolle. Einigen Anglerfisch-Arten, die eine dauerhafte Verbindung miteinander eingingen, fehlten darüber hinaus sogenannte rag-Gene, die mit der Ausbildung von Antigen-Rezeptoren in Verbindung stehen.

Erworbene Immunabwehr schwach

Antikörper und Antigen-Rezeptoren sind zentrale Bestandteile des sogenannten erworbenen Immunsystems, das auf eindringende Fremd-Eiweiße reagiert und einen zentralen Teil der Immunabwehr der Wirbeltiere ausmacht. Die Fische zahlen also einen hohen Preis für ihr Paarungsverhalten. Durch die Umprogrammierung des Immunsystems dürfte es ihnen schwerfallen, krankmachende Eindringlinge zu erkennen.

"Für den Menschen würde der kombinierte Verlust solch wichtiger Funktionen der erworbenen Immunantwort zu einer tödlichen Immunschwäche führen", sagt Thomas Boehm vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg. Nun rätseln Forscher, wie die Tiere es dennoch schaffen zu überleben.

Angeborene Immunabwehr schützt

Sie vermuten, dass die angeborene Immunabwehr die Schwächen wettmacht. Dazu gehören etwa Haut und Schleimhäute als Barrieren gegen Keime und Fresszellen, die eingedrungene Erreger verschlingen. "Wir wissen noch nicht genau, welche Lektionen uns Seeteufel lehren werden", sagte Boehm. "Aber wir wissen, dass sie etwas geschafft haben, von dem man nicht dachte, dass es möglich ist."

Die Entdeckung dieses bisher einzigartigen Immunsystems könnte neue Wege für die Behandlung von Patienten mit einer Immunschwäche eröffnen.

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