150 Jahre "Schatz des Priamos": Gold, mit dem keiner gerechnet hatte
Am 5. August 1873 wurde bekannt, dass Heinrich Schliemann in Troja einen Goldschatz gefunden hatte. Die Entdeckung ist eine Geschichte voller Zufälle und Irrtümer.
Monatelang hat Heinrich Schliemann sein Geheimnis gewahrt. Längst hatte er seinen Schatz eigenmächtig ausgegraben und heimlich in Sicherheit gebracht. Jetzt, am 5. August 1873, will der geniale Selbstvermarkter es in die Welt hinausposaunen: Er habe in Troja den „Schatz des Priamos“ entdeckt. So verkündet es an diesem Sommertag die Augsburger Allgemeine Zeitung weltexklusiv. Am 6. August zieht das Neue Wiener Abendblatt nach, am 23. August vermelden auch britische Zeitungen die archäologische Sensation.
Der Kaufmann, Millionär und Archäologe stellte den Moment der Entdeckung wohl dramatischer dar, als er war: „Die Festungsmauer drohte jeden Augenblick auf mich herabzustürzen. ... Aber der Anblick so vieler Gegenstände, wovon jeder einzelne einen unermesslichen Werth für die Wissenschaft hat, machte mich tollkühn, und ich dachte nicht an die Gefahr.“ „Schliemann war ein Besessener, energiegeladen und sprachbegabt“, analysiert Ernst Pernicka. Der österreichische Chemiker vom deutschen Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie war selbst von 2006 bis 2012 Grabungsleiter in Troja und ist mit seinem Vorvorgänger und dessen Arbeit bestens vertraut.
Zur Person
1822 als Pastorensohn in Mecklenburg geboren, zog es Schliemann bald in die Welt – St. Petersburg, Peking, Paris, Konstantinopel, Dehli. Beim Goldrausch in Kalifornien macht er ein Vermögen, mit den Spekulationsgewinnen aus dem Krimkrieg finanzierte der Autodidakt seine Grabungsträume. Pernicka: „In der Mitte seines Lebens schwenkte er vom erfolgreichen Geldverdienen zur Archäologie. Er verschrieb sich der Aufgabe, Troja zu finden“.
Wie er das tat, lesen Sie in dieser Geschichte:
Troja lokalisieren, das war damals eine gängige Idee. „Zuerst machte Schliemann eine Reise zu in der Ilias erwähnten Orten, ging Hinweisen nach und buddelte überall herum, bis er vom britischen Hobbyarchäologen Frank Calvert auf den Hisarlik-Hügel in der heutigen Türkei als mögliche Troja-Fundstätte aufmerksam gemacht wurde.
Schliemann griff die Idee sofort auf.
von Ernst Pernicka
Archäo-Chemiker
Pernicka hält ihm zugute: „In einer Zeit, in der die Archäologie nur dazu diente, europäische Museen zu füllen, ging Schliemann mit einer wissenschaftlichen Fragestellung ans Werk – er hat keine Schatzsuche betrieben“.
Ziemlich rabiat
Ihm war klar: Die Stadt, die er suchte, müsste in tieferen Schichten liegen. Der Wissenschafter: „Schliemann hat also schon die Idee der Stratigrafie – dass das älteste zuunterst liegt. Wer so einen Hügel erforschen will, muss ihn also anschneiden, wie eine Torte. Das machte Schliemann – seinem Naturell gemäß – ziemlich rabiat“. Mit großem Personalaufwand räumte er die obersten Schichten weg. Kritiker sprechen von „unwiederbringlicher Zerstörung“.
In großer Tiefe fand der Ausgräber tatsächlich etwas, das seinen Vorstellungen entsprach. Das homerische Troja, postulierte er. „Später stellte sich heraus, dass das, was er entdeckt hatte, 1.000 Jahre älter war“, erklärt Pernicka. „Erst kurz vor seinem Tod 1890 erkannte er seinen Irrtum. Da war es aber schon egal, denn dazwischen hatte er ja zufällig seinen Schatz gefunden, etwas, womit er nicht gerechnet hatte“.
Angeblich entstieg der Archäologe nämlich am Morgen des 31. Mai 1873 gerade dem Meer, als ihm ein Vorarbeiter einen schimmernden Gegenstand meldete – einen kupfernen Behälter mit dem Schatz. Der umfasste letztlich mehr als 8.000 Artefakte. Mit den schönsten Stücken behängte der stolze Finder seine Frau. Er inszenierte Sophia wie eine Fürstin der Bronzezeit – ein Foto, das um die Welt ging.
Antiquitätenraub
Den „Schatz des Priamos“ verschleppte er nach Athen. Für diesen Antiquitätenraub wurde der Archäologe zur Zahlung von 20.000 Goldfrance verurteilt. Locker erhöhte der Millionär auf 50.000 und hatte damit eine weitere Grabungslizenz in der Tasche.
150 Jahre später konnte Pernicka, der Experte für alte Metalle, eines der Geheimnisse rund um das Gold von Troja lüften: Es dürfte aus Flüssen des südlichen Kaukasus stammen. Und stimmt – Überraschung – mit dem Gold aus dem Tausende Kilometer weit entfernten Ur überein. Pernicka: „Wir wissen also, dass in Südmesopotamien und 2000 km entfernt in Troja das gleiche Gold verwendet wurde.“
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