Mobile Arten können fliehen
„Tiere mit geringem Aktionsradius sind naturgemäß am stärksten von Überschwemmungen betroffen“, sagt Konrad Fiedler von der Uni Wien und verweist auf Ameisen, die samt Kolonie untergehen, und Mäuse, die von der Flut in ihren Bau gedrängt, ertrinken.
Selbst größere Säugetiere wie Rehe und Wildschweine, die an sich gute Schwimmer sind, können, von einer Sturzflut überrascht, ums Leben kommen, bringt der Leiter des Departments für Botanik und Biodiversitätsforschung weitere Beispiele.
„Bodenorganismen wie Regenwürmer und Tausendfüßer oder Schnecken werden mit der Strömung mitgerissen. Da gibt es einen Totalverlust“, sagt Klaus Hackländer von der Boku Wien.
Doch der Leiter des Instituts für Wildbiologie und Jagdwirtschaft weiß auch: „Die Flächen werden schnell neu besiedelt.“ Feldhamster oder Ziesel etwa wandern von höheren Lagen in die verwaisten Hochwasserzonen. Feldhasen, die sich in mehreren Nachwuchsreichen Würfen pro Jahr vermehren, gleichen die Verluste in kürzester Zeit aus.
Vögel sind vom Dauerregen doppelt betroffen
„Die Bodenbrüter sind seit einem Monat fertig, Wiesenbrüter schon abgezogen“, schwenkt Fiedler zu den Vögeln. Gefiederte Arten sind von Wetterkapriolen trotzdem doppelt betroffen. Einerseits kühlt die permanente Durchnässung die Leichtgewichte bedrohlich aus, andererseits finden v.a. Fluginsekten-Fresser bei lang anhaltendem Niederschlag keine Nahrung.
Für unzählige Mehlschwalben, die das Unwetter auf der Reise in den Süden kalt erwischt hat, war die Belastung zu groß. Der Futtermangel machte auch Fledermäusen zu schaffen; sie befinden sich noch nicht im Winterschlaf.
Naturereignisse kosten Wildtiere oft das Leben
So dramatisch die Situation für Menschen ist, in der Fauna wird täglich ums Überleben gekämpft. „Gesunde Tiere halten viel aus“, sagt Hackländer. Einzelereignisse beeinträchtigen Individuen, selten die gesamte Population.
Verregnete Frühlingstage allerdings überstrapazieren regelmäßig vor allem Jungtiere, ein früher Wintereinbruch oder eine dichte Schneedecke raffen geschwächte bzw. alte Tiere dahin. Zieher – ob Vogel oder Falter – sterben immer wieder in Massen z.B. beim Überqueren der Alpen; unbemerkt, fern ab der Zivilisation.
„Die Überschwemmung jetzt ist ein regionales Ereignis, eine natürliche Störung, wie sie immer wieder vorkommt“, behält Fiedler den Weitblick. Die betroffenen Arten seien nicht nur in Österreich großflächig heimisch, sondern teilweise in ganz Europa.
Hierzulande wird keine Spezies wegen dieses Hochwassers aussterben. Wären etwa Trockenwiesen durch eine Naturkatastrophe in Mitleidenschaft gezogen, und nicht Ufer und Auen geflutet worden, wäre wohl die eine oder andere seltene, nur örtlich verbreitete Tierart in Gefahr. Fix ist, dass wiederkehrende Überschwemmungen – wie etwa an Altarmen – den Artenmix beeinflussen.
Neben vielen Verlieren gibt es auch Gewinner von Überschwemmungen
Manche Spezies profieren gar. Raubvögel, Marder und Füchse etwa zählen zu den Nutznießern von Überschwemmungen. Sie haben z.B. auf Rettungsinseln leichtes Spiel mit erschöpften Mäusen. Aasfresser wie Krähen räumen nach der Flut auf. Graureiher finden in Lacken auf Feldern angespülte Nahrung.
Renaturierung hilft, Hochwasserschäden im Tierreich zu minimieren
„Problematisch ist, wenn Wasser plötzlich extrem schnell fließt. Je naturferner ein Gewässer ist, desto mehr rauscht Hochwasser durch“, betont Wildbiologe Hackländer. Bäche bräuchten mehr Raum, Uferregulierungen müssten zurückgenommen werden. Auwälder statt Landwirtschaft oder Verbauung könnten dort wie Schwämme wirken.
Auch Tierökologe Fiedler weiß, wie sich Leid in Zukunft verhindern ließe: „Wir können nicht alles mit Technik lösen, wir müssen unser Leben an Naturgewalten anpassen.“
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